Bäcker, Land und Lastenrad – Biobäcker Björn Wiese tauscht Auto gegen E-Cargobike
Björn Wiese, Bäcker aus Eberswalde / Brandenburg setzt aufs Lastenrad: Aufgrund eines Motorschadens beim Firmenwagen überdenkt der Biobäcker seine Mobilitätsgewohnheiten. Die Suche nach neuen Wegen bringt ihn zurück zu Altbewährtem. Heute ist er Wegbereiter für die Verkehrswende im ländlichen Raum.
November 2018: Motorschaden beim Firmenwagen. Die Reparaturkosten betragen rund 5.000 Euro. Das Auto reparieren? Den Gedanken findet Bäckermeister Björn Wiese schwierig. Ein neues Auto kaufen? Ebenfalls. Das Fahrrad nehmen? Es ist kompliziert. Die Strecke von sechs Kilometer von der Hauptbäckerei bis zur Filiale (und wieder zurück) findet er prinzipiell machbar. Nur wie sollen die Dinge transportiert werden, die täglich zu transportieren sind zwischen Wohnort, Hauptsitz und Filiale? Was passiert mit den Brotlieferungen?
Brandenburger Bäckerei in dritter Generation
Björn Wiese (48) ist Bäckermeister in dritter Generation in Eberswalde. Die „Waldstadt“ zählt etwa 40.000 Einwohner und liegt in Brandenburg – etwa 60 km nordöstlich von Berlin. Das Brot in Bioqualität wird von Hand in der Hauptbäckerei der Bäckerei Wiese im sechs Kilometer entfernten Britz hergestellt und in der ganzen Region – im Umkreis von 30 Kilometern – ausgeliefert.
Vom Bäckerrad zum Cargobike
Vom Lastenrad-Verleih Eberswalde kennt er – zumindest vom Sehen her – Transporträder mit einer großen Box vorn. „Ein bisschen mehr Bewegung würde nicht schaden“, denkt er und leiht sich die Waldameise – ein einspuriges E-Lastenrad. Kurz darauf bewirbt er sich beim bundesweiten Lastenrad-Pilotprojekt „Ich entlaste Städte“ um ein Cargobike. Es ist Dezember. Seine Frau ist skeptisch. Er sagt:

Björn Wiese und ein Teil seines Teams: Das Brot in Bioqualität wird von Hand hergestellt und in der ganzen Region ausgeliefert. Foto © Agentur One / Stefan Escher
„Wenn ich Januar, Februar und März durchhalte – die beschissenste Zeit zum Radfahren im Jahr überhaupt – dann tausch‘ ich Auto gegen Cargobike!“

Foto © Ich entlaste Städte
Und, es gefiel ihm gut. Das Testlastenrad mit elektronischer Unterstützung kommt auf der Pendelstrecke Britz – Eberswalde – Britz und bei stadtweiten Lieferungen an Kitas, Schulen und Altenheime zum Einsatz.
Schneller, günstiger, entspannter:
Was kann autofreier Lieferverkehr?
Den absoluten AHA-Effekt erlebt Björn Wiese ziemlich rasch in Sachen Kosten und Schnelligkeit: „Gefahrene Lastenrad-Kilometer sind konkurrenzlos günstig. Ein stehendes Lastenrad ist auch günstiger als ein stehender PKW. Bereits wenn wir zehn Brote in einer Stunde ausfahren amortisieren sich die Kosten!“ Entgegen seiner Annahme ist auch die Kapazitätsgrenze kein Hindernis beim Liefertempo.
„Im Umkreis von sechs Kilometern bin ich mit dem Lastenrad – trotz mehrmaligen Nachladens im Stadtzentrum – schneller als vorher mit dem Auto!“
Heute – zwei Jahre nach der ersten Testfahrt – zählen zwei Pedalpower Lastenräder vom Typ Long John zum Fuhrpark des Bäckereibetriebs. Ergänzend dazu werden mit einem Caddy Fahrten zu über 30 Kilometer Strecke organisiert. Björn Wiese: „Mit dem Auto denkt man von A nach B – ganz bequem und halt ganz vertraut. Mit dem Lastenrad ändern sich Denkmuster. Heute denke ich in Strecken. Ich plane unsere Touren effizient!“ Natürlich fielen in diesem betrieblichen Umstrukturierungsprozess auch Lieferorte und Personal weg – aber es kam eben soviel Neues wieder dazu. Ein fester Fahrer übernimmt heute die Lieferungen in der Stadt, denn die Grundauslastung ist insgesamt mehr geworden.
Wegbereiter für die Verkehrswende im ländlichen Raum
Björn Wiese geht in seiner neuen Vorreiterrolle in Sachen Verkehrswende für die Region sichtlich auf. Im Dialog mit der Stadt Eberswalde, den lokalen Handel und Kundschaft versprüht er Fahrrad-Begeisterung und sät flächendeckend Verkehrswende-Samen. Vor seiner Eberswalder Filiale lässt er Fahrradbügel aufstellen und verteilt Bonusbrötchen an Kunden und Kundinnen die mit dem Fahrrad kommen. Diese seien, seiner Meinung nach, auch die Entspannteren.
Glaubwürdigkeit muss sich der Meisterbäcker bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern nicht erarbeiten – er hat Lokalbonus und das ist in der Kleinstadt gold wert: Bereits sein Großvater war Bäcker in Eberswalde und drehte als Lehrling in den Jahren 1939 bis 1942 mit dem Bäckerrad hier seine Runden – nach der morgendlichen Schicht wohlgemerkt.

Björn Wiese vor seiner „Backwerkstatt“ in Eberswalde, wo auch mal Bonusbrötchen als Belohnung an radelnde Kundschaft verteilt werden. Foto © Andreas Stückl / Bike Citizens
Zwei Schoko-Walnuss-Schnecken für die Cargobike-Tour
Während unseres Gesprächs verputze ich eine megamässige Schoko-Walnuss-Schnecke, die in der Backwerkstatt hinter uns direkt frisch gebacken wird. Meine letzte Frage an Björn Wiese: „Wie lang muss ich radeln, um die handtellergroße Köstlichkeit vollends in Energie umzuwandeln?“ Björn schmunzelt, zückt seinen Rezeptordner, rechnet und staunt am Ende selbst nicht schlecht: „Zwei bis drei Stunden auf dem Lastenrad – ohne Elektroantrieb – mindestens!“ Danke, Björn!