10 verlassene Orte erinnern an ein altes Berlin
Industriestadt, Elektropolis, Weltmetropole. Vor etwas mehr als 100 Jahren begann der Aufstieg Berlins in rasanter Geschwindigkeit. Innerhalb von 30 Jahren wuchs die Bevölkerung von 500.000 auf 4 Millionen Einwohner. 1920 war Berlin die drittgrößte Stadt der Erde. Fabriken lösten den Boom aus. Viele davon stehen auch heute noch – mehr oder weniger als Ruine. Eine Radtour zu den Palästen des letzten Jahrhunderts - alle Ruinen können in der Bike Citizens App als Zielort definiert werden.
1.) Eisfabrik

Image © Konsalik on Flickr (CC BY-ND 2.0)
Mitten in Berlin an der Spree, zwischen Kreuzberg und Friedrichshain steht eine der größten Ruinen der Stadt. Eine Fabrik, in der 100 Jahre lang Eis produziert wurde. Kein Speiseeis zum Lutschen, sondern Trockeneis zum Kühlen von Milch, Fleisch, Obst oder Gemüse. Bis 1995 war die Anlage noch in Betrieb, dann verfiel sie und sollte abgerissen werden, obwohl sie unter Denkmalschutz steht. Seitdem es dort nach einer illegalen Party gebrannt hat, sind die Sicherheitsvorkehrungen streng geworden. Aber auch von außen ist das Gebäude eindrucksvoll und gut über das Paula-Thiede-Ufer (Wasserseite Verdi-Zentrale) zu erreichen.
2.) Gaslaternenfabrik Ostbahnhof
Auf der anderen Uferseite befindet sich eine weitere Ruine aus der Gründerzeit Berlins – das Verwaltungs- und Industriegebäude der Firma Julius Pintsch in der Andreasstraße 71-73. Auch wenn der Name heute fast in Vergessenheit geraten ist, war die Firma Pintsch einst ein Weltkonzern, der Produkte herstellte, der Gas regulierte: Glühbirnen, Leuchtbojen und Heizungsanlagen. Die Brache hinter dem neobarocken Gebäude zeigt, wie riesig/eindrucksvoll die Fabrik früher war. Mit dem Fahrrad lässt sich das Gelände gut umrunden – und nach Lücken im Zaun ausschau halten…
3.) Patzenhofer Brauerei

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Wo in Berlin ein kleiner Berg war, war meist auch eine Brauerei. Denn dort ließen sich Kellergewölbe bauen, ohne dass Grundwasser eindringen konnte. Allein im Prenzlauer Berg gab es zwanzig Brauereien. Im benachbarten Friedrichshain war die Patzenhofer eine der größten; später bekannt als Schultheiss-Brauerei und bis 1990 in Betrieb. Ein Teil der Anlage diente zeitweise als Galerie und Club. Der Rest verfiel. Mittlerweile will ein Investor dort Luxuswohnungen bauen. Einblicke in das Innere erhält man über die Richard-Sorge-Straße und das Kino an der Landberger Allee.
4.) Schneider-Brauerei Greifswalder Straße
Die frühere Schneider-Brauerei befindet sich wahrlich versteckt an der Greifswalder Straße. Nur eine schmale Lücke zwischen Altbau und einer Schule führt zu ihr. Der Brauereibetrieb kam bereits nach dem Ersten Weltkrieg zum Erliegen, allerdings ging der Bierausschank in den 20er Jahren weiter. Heute befinden sich auf einem Teil des Geländes Townhouses, die wiederum dem anderen Teil, den Tonstudios und Veranstaltungsräumen, das Leben schwer machen. So ist die Ruine nur notdürftig in Stand gesetzt und wartet darauf, wieder als regelmäßiger Ort für Musik und Kunst genutzt zu werden. (Schweizer Garten 74-76)
5.) Wasserturm Ostkreuz

Image © ANBerlin on Flickr (CC BY-ND 2.0)
Rostkreuz hieß der Bahnhof am Ostkreuz noch vor einigen Jahren. Mittlerweile ist der viel genutzte Umsteigebahnhof eine Großbaustelle. Diverse historische Gebäude sind dem Umbau zum Opfer gefallen. Aber das markanteste hat überlebt. Der vor mehr als 100 Jahren errichtete Wasserturm. Sein Dach sieht aus wie die Karikatur eines preußischen Stahlhelms. Irgendwann soll dort oben eine Bar eröffnen. Erreichbar über den Markgrafendamm in Friedrichshain.
6.) Spreepark

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Der Spreepark gehört zu den berühmtesten Brachen in Berlin, mit dem Riesenrad als Wahrzeichen. Seit 2002 ist der Freizeitpark geschlossen, da die Betreiberfirma um Familie Witte Insolvenz anmelden musste. Den spektakulären Fall, samt Entführung diverser Fahrgeschäfte nach Peru, erzählt eine Kinodokumentation von Peter Dörfler. Wer das Gelände mit seinen surrealen Bauten besichtigen möchte, kann momentan keine offizielle Führung buchen. Die Grün Berlin will das Gelände bis 2017 „entwickeln“. Aber der Plänterwald, der das Gelände umgibt, ist groß und dunkel…
7.) Kinderkrankenhaus Weißensee

Image © Tobias Balzer via Wikimedia (CC BY-SA 3.0)
Orte wie diese haben immer etwas Unheimliches. Welche Dramen mögen sich hinter den Mauern abgespielt haben? Wer an Gespenster glaubt, sollte das ehemalige Kinderkrankenhaus in Weißensee besser meiden. 1997 wurde die Säuglingsstation geschlossen und verfällt seitdem. Erst vor kurzem ist ein Hobbyfotograf bei einer Besichtigung durch den Boden gebrochen und hat sich schwer verletzt. Eine Begleitperson rief die Feuerwehr – einen Wachdienst gibt es für das Gelände an der Hansastraße/Buschallee nicht.
8.) Haus der Statistik

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Berlin ist nicht nur voller Ruinen aus der Gründerzeit, auch dem Kalten Krieg hat die Stadt einige leerstehende Gebäude zu verdanken. Das frühere Haus der Statistik dürfte momentan eines der bekanntesten sein, denn es befindet sich direkt am Alexanderplatz in Sichtweite zur Shoppingmall Alexa. In den oberen Stockwerken quartierte sich die Stasi ein. Was aus dem Haus werden soll, ist weiterhin unklar. Eventuell könnten Künstler einziehen und es wieder für die Öffentlichkeit begehbar machen.
9.) Teufelsberg

Image © Oscar (CC BY-SA 4.0) via Wikimedia commons
Was der Osten konnte, schaffte auch der Westen: Freund und Feind abhören. Und eine der bekanntesten Abhöranlagen stand auf dem Teufelsberg im Grunewald. Von dort konnte die NSA bis weit in die sowjetische Zone lauschen. 1990 benötigte der Geheimdienst die Apparaturen nicht mehr und baute sie ab. Die weißen Kuppeln sind aber weiterhin da, wenn auch „luftiger“. Führungen sind über den derzeitigen Pächter Marvin Schütte buchbar (http://teufelsberg-berlin.eu/). Anfahrt über Heerstraße und Teufelsseechausee.
10.) Gewerbehof Rigaer Str. 70/71
Auch um diese unscheinbaren Gebäude in der Rigaer Straße ist ein Streit entbrannt. Ein Investor will sie abreißen, viele Anwohner hingegen hoffen auf deren Erhalt. Immerhin handelt es sich um eines der ältesten Häuser in Friedrichshain, 1870 errichtet, und führte quasi zur Bebauung des gesamten Nordkiezes an der Samariterstraße. Während viele Gebäude einsturzgefährdet sind und leer stehen, hat in einem der Indie-Club Antje Øklesund Quartier bezogen. Wie lange noch, ist allerdings offen. Aber bislang kann man mit dem Rad noch über das Gelände fahren und die 90er-Jahre-Berlin-Atmosphäre bewundern.
Update: Nur 2 Woche nachdem dieser Artikel verfasst worden ist, wurde das Gebäude bereits abgerissen.