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Bike-Sharing Systeme liegen klar im Trend

Auf der Velo-City 2015 in Nantes stellten zahlreiche Aussteller ihre Bike-Sharing Neuheiten vor. International liegen E-Bike-Systeme im Trend.

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Foto: Tookapic CC0

JCDecaux ist ein „Big Player“ auf dem Markt für Bike-Sharing-Systeme. Vor mehr als 10 Jahren stieg die Außenwerbefirma aus Frankreich in das Geschäft mit den Leihrädern ein. Heute ist JCDecaux weltweit der größte Bike-Sharing Betreiber. Unter dem Namen Cyclocity betreibt die Firma – die sich im Kerngeschäft auf Außenwerbung an Stadtmöblierungen spezialisiert hat – in insgesamt 67 Städten weltweit Leihradflotten. Auf der Velo-City stellte JCDecaux seine Neuheiten für das Jahr 2015 vor. Demnach wird in Zukunft verstärkt auf die Integration von E-Bikes in die Leihradflotten gesetzt. Damit möchte der Betreiber dem allgemeinen E-Bike-Trend nachgehen.

Integration von E-Bikes in das Bike-Sharing System

Was auf den ersten Blick simpel klingt, bedarf in der technischen und operativen Umsetzung jedoch etwas Raffinesse. Wie können E-Bikes oder Pedelecs in bestehende Leihradsysteme integriert werden? Wie werden die Akkus geladen und vor Diebstahl geschützt? Woher weiß der Nutzer, ob die Batterie des Leihrades vollgeladen ist?

Die Antwort von JCDecaux lautet: Batterie-Leasing. Sie haben eine neue Generation Fahrräder entwickelt, bei denen sich die Batterie in den Lenker integrieren lässt. Etwa so groß wie ein Tablet und rund 500 Gramm schwer ist das Herzstück des E-Bikes. Der Clou an dem System: die Batterien werden nicht permanent am Fahrrad angebracht, sondern werden an die Nutzerinnen ausgeliehen, zum Beispiel im Rahmen eines Jahres-Abos. Der Nutzer least die Batterie und ist somit selbstständig (und auf eigene Kosten) für das Aufladen zuständig. Ob sich dieses Geschäftsmodell am Markt durchsetzt, bleibt abzuwarten.

Bike-Sharing_Velo City

Foto © Julia Zientek

Smart-Bikes, die neuen Leihfahrräder

Damit unterscheidet sich JCDecaux von seinen Mitbewerbern, die ebenfalls stark auf der Velo-City 2015 vertreten war. Zwar geben Systeme wie Nextbike, Sycube, Smoove, Clear Channel und Bewegen ebenfalls an, in Zukunft verstärkt auf E-Bikes und „Smart Bikes“ zu setzen. Jedoch realisieren sie dies in anderer Form.

Der Kanadische Hersteller Bewegen setzt beispielsweise auf E-Bikes, deren Batterie vollkommen in den Rahmen des Fahrrades integriert ist. Die mit einem Mittelmotor ausgestatten Räder sind somit gut vor Witterung oder Vandalismus geschützt. Geladen werden die Räder nur an den Verleihstationen selbst, indem diese an die Stationen angedockt werden. Der Nutzer bekommt den Ladezustand über ein kleines Display am Lenker angezeigt – wahlweise in Ladeanteil (in %) oder in Reichweite (in km). Per Smartphone-App lässt sich mit dem Fahrrad kommunizieren, zum Beispiel zum Auffinden der nächsten Verleihstation.

Dieses „Smart Bike“ hat jedoch seinen Preis. Bricht man alle Anschaffungskosten (Stationen, Räder, Ladeinfrastruktur) auf ein Rad herunter, dann liegen die Kosten pro Leihrad und Jahr bei 3.500 bis 6.000 EUR. Dies ist vergleichsweise teuer. Und noch ein Manko gibt es: die Leihräder sind mit 29 kg ein wahres „Schwergewicht“ (zum Vergleich: mein Rennrad wiegt ca. 10 kg). Sollte die Batterie unerwarteter Weise leer laufen, dann wird das Fortbewegen des Pedelecs eine große Herausforderung.

Bike-Sharing_Velo City_Smart Bikes

Foto © Julia Zientek

Das Zwischenfazit lautet: technisch ist E-Bike-Sharing bereits weitgereift, Kosten, Fahrkomfort und Alltagstauglichkeit sollten jedoch kritisch in eine Entscheidung einbezogen werden. Sowohl aus verkehrsplanerischer als auch wirtschaftlicher Sicht stellt sich die Frage: bedarf es überall E-Bike-Sharing?

In welchen Städten ist es sinnvoll in E-Bike-Sharing Systeme zu investieren?

Beachtet man die höhere Anschaffungs- und Instandhaltungskosten stellt sich die Frage, in welchen Städten es sich lohnt zu investieren und in welchen sollten konventionelle System bevorzugt werden? Die vier wichtigsten Kriterien im Überblick:

Kriterium Nr. 1: die Topographie

Wenn zu erwarten ist, dass mit den Leihrädern größere Höhenunterschiede zurückgelegt werden müssen, kann es durchaus Sinn machen E-Bikes in die Leihradflotte aufzunehmen oder ganz auf E-Bikes umzusteigen. Einerseits, um einen größeren Nutzerkreis anzusprechen und andererseits um kostspielige Verteilfahrten zu vermeiden. Die Umverteilung der Fahrräder die garantiert, dass die Stationen weder voll noch leer sind, ist der teuerste Kostenpunkt im Betrieb von Bike-Sharing Systemen. Bis zu 30% der Kosten eines Bike-Sharing Systems fallen für die Umverteilung der Fahrräder an. Durch E-Bikes könnten die Nutzer eher gewillt sein, die Räder zu höher gelegenen Stationen zurückzubringen.

Kriterium Nr. 2: die Rentabilität

Bike-Sharing Systeme werden im Allgemeinen stark bezuschusst. CEREMA forscht seit mehreren Jahren zum Thema Bike Sharing in Frankreich und Europa. In einem 2014 veröffentlichten Paper heißt es, dass keines der Bike-Sharing Systeme in Europa kostendeckend betrieben werden kann. Kosten entstehen bei der Anschaffung der Räder, der Stationen sowie dem operationalen Betrieb mit Wartung und Umverteilung der Räder u.v.m. Je nach System variieren die Kosten zwischen 1.000 und 3.400 EUR pro Rad und Jahr (Investitions- und laufenden Kosten). Ein fiktives System mit 500 herkömmlichen Rädern kostet damit zwischen 500.000 und 1,7 Mio. EUR pro Jahr. Der Preis für ein Bike-Sharing System mit Pedelecs liegt noch einmal deutlich darüber. Diese höheren Investitionen machen nur dann Sinn, wenn jedes Leihrad oft, d.h. mindestens 3-6 Mal pro Rad und Tag, im Einsatz ist. Bei weniger Ausleihen ist der verkehrliche und wirtschaftliche Effekt zu gering.

Kriterium Nr.3: die Distanzen

Die ideale Fahrraddistanz liegt im innerstädtischen Bereich bei 2 bis 5 km. Auf dieser Distanz ist das Fahrrad das schnellste Verkehrsmittel. Der Einsatz von E-Bikes als Teil eines Leihradsystems macht dort Sinn, wo längere Wegstrecken zwischen 5 und 10 km zu erwarten sind. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Räder auch auf längeren Strecken nur für kurze Zeit ausgeliehen werden und so im Umlauf bleiben – trotz größerer Distanzen zu den Zielen.

Kriterium Nr. 4: die Leihfahrräder

E-Bikes müssen dem Nutzer einen Mehrwert im Sinne des Fahrkomforts bieten. Die Bikes müssen robust sein, eine große Reichweite haben und für jeden Nutzer einfach und sicher bedienbar sein. Dazu zählt auch, dass das Gewicht des Rades gering ist und eine simple und übersichtliche Bedienung der Tretunterstützung vorhanden ist. Schafft es der Bike-Sharing Betreiber, diese Qualitätsmerkmale mit einem Leihradangebot zu kombinieren (24/7 Angebot der geladenen Räder, regelmäßige Umverteilung und Wartung), dann kann E-Bike-Sharing auch für den Nutzer gewinnbringend sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus technischer Sicht mittlerweile verschiedene Wege gibt, wie E-Bikes in Bike-Sharing Systeme integriert werden können. Diese Systeme haben jedoch ihren Preis – die Kosten für E-Bike-Sharing Systeme liegen deutlich über denen herkömmlicher Systeme. Ob sich das E-Bike-Sharing in der Praxis bewährt und weiter etabliert, bleibt offen. Auf Nachfrage von BikeCitizens gab JCDecaux an, bisher noch keines der neue E-Bike-Sharing System (mit im Lenker integrierter Batterie) verkauft zu haben. Es mangelt bislang an der Nachfrage durch Städte. Diese wollen oder können – so die Vermutung – für den Mehrwert E-Bike die hohen Mehrkosten nicht investieren.

Das Geschäft mit den Leihrädern

Bike-Sharing Systeme werden meist von Außenwerbefirmen oder Verkehrsunternehmen betrieben. In einigen Fällen sind auch Vereine, Institutionen (z.B. Universitäten) oder die Gemeinde selbst als Betreiber aktiv. In vielen Fällen sind die Bike-Sharing Systeme Teil der Stadtmöblierung, die den Städten von Außenwerbefirmen (z.B. JCDecaux) zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug dafür werden Außenwerberechte gewährt. Das Citybike Wien wird beispielsweise von der GEWISTA betrieben, an der mit 67% die JCDecaux Holdung mehrheitlich beteiligt ist. Die Stadt Wien gewährt zusätzlich Baukostenzuschüsse für neu errichtete Citybike-Stationen. Im Zeitraum 2010 bis 2012 wurden Baukostenzuschüsse in Höhe von 2.532.044,40 EUR (brutto) gewährt. In Österreich basieren alle Systeme (außer dem Citybike Wien) auf Nextbike.

City Bike Wien_Bike-Sharing

Foto © Andrew Nash [CC BY-SA 2.0]on Flickr

Bike Citizens App erleichtert Bike-Sharing im Alltag

Im Rahmen des von der EU geförderten ODUN BIKES Projekts werden öffentliche Bike-Sharing Stationen in die, bereits in über 250 Städten in Europa bewährte, Bike Citizens Fahrrad Navigations App integriert. Dazu wird die die App um einen ‘Fuß-Rad-Fuß’ Modus erweitert. Diese Erweiterung ermöglicht es den Usern sich über die App den kürzesten Fußweg bis zur nächsten Bike-Sharing Station anzeigen zu lassen, sowie die Anzahl der verfügbaren Fahrräder und auch gleich den fahrradfreundlichsten Weg zum gewünschten Zielpunkt. Dort angekommen zeigt die App dann die am nächsten gelegene Rückgabestation an und wo eine freie Box für das Rad verfügbar ist. In den Bike Citizens Städten werden den Usern alle vorhandenen Bike-Sharing Angebote in der App als POI’s (Points of interest) angezeigt.

Mit ein paar Klicks kann der „Fuß-Rad-Fuß“-Routing getestet werden.

 

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