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Das Altbaukriterium – Radrennen mal anders

Bike Citizens traf sich mit dem Erfinder des Altbaukriteriums Bernhard Kober – des weltweit einzigen Radrennens, das in Wohnungen ausgetragen wird. Seit September 2014 betreibt „Muchar“ auch eine Werkstatt, die dem Upcycling-Prinzip folgt.

Was Bernhards Leidenschaft für das Fahrrad ausgelöst hat, ist eher ungewöhnlich. Normalerweise beginnt die Fahrradbegeisterung nicht mit der Erfindung einer neuen Wettkampfdisziplin. Bei Bernhard war es aber genau so.

Zusammen mit seinem Wohnungskollegen Christoph erfand der gelernte Optiker Bernhard vor fünf Jahren das Altbaukriterium. Wie der Begriff schon sagt, handelt es sich dabei um ein Radrennen , das in Altbauwohnungen ausgetragen wird. Wer innerhalb von zwei Minuten die meisten Runden schafft, gewinnt.

Erfindung des Altbaukriteriums

Ein frisch gepickter Schlauchreifen, schlechtes Wetter und ein blitzendes geschenktes Peugeot aus den 70ern führten dazu, dass Bernhard in der Wohnung statt auf der Straße sein Rad testete. Nach mehreren Versuchen gelang auch das Umdrehen in der kleinen Küche. Er und Christoph beschlossen, ein Rennen zu machen. Das war 2009. Am 25. April 2015 findet nun das mittlerweile 50. (oder 51., Bernhard wusste es selbst nicht mehr genau) Altbaukriterium statt.

Weltverband und Worldcup

Schon beim ersten Rennen beschlossen die beiden, einen Weltcup auszutragen. Somit wurde der Weltverband Altbaukriterium gegründet. Die sechs Besten jedes Rennens erhalten Weltkampfpunkte und der Sieger darf kurz den berühmten Schlauchreifen tragen. Bei allen vom Weltverband genehmigten Rennen werden Weltcuppunkte vergeben wodurch auch Fahrer aus anderen Städten in die Weltrangliste kommen können. Für die Legitimation des Worldcups war daher ganz wichtig, dass auch in anderen Städten Altbaukriterien ausgetragen wurden. Wer am Ende der Saison die meisten Punkte hat, ist Weltmeister.

Radrennen in Wohnung

Londoner Altersheimkriterium

Beim Bikefilmfestival 2012, dass neben London auch in 26 anderen Städten gastierte, lief ein Film von Christoph über das Altbaukriterium. Daraufhin meldete sich eine Londoner Fahrradbotin bei Bernhard. Nach kurzem hin- und hermailen saßen eine Woche später Bernhard, vier andere und zwei Räder im Flugzeug nach London. Anders als in Graz war das Rennen dort ziemlich „Underground“. „Das fand in einem besetzten Altersheim zwischen Familie, Hausbesetzern, Punks und Drogensüchtigen statt.“

Radrennen in Toronto

Auf das „erste Rennen auf amerikanischen Boden“ ist Bernhard auch besonders stolz. In einem Pub in Toronto wurde im Kreis geradelt und Bernhard und Christoph waren mit dabei. Gleich der erste Starter flog Kopf voran durch die Glastür aus dem Pub-. Passiert ist Gott sei Dank nichts. Wieder rauf aufs Rad und weiter! „Für mich hat das ausgesehen, als hätte er mit seinem Fixie überhaupt nicht gebremst.“

Das ideale Fahrrad

Auf die Frage nach dem idealen Rad für das Altbaukriterium antwortet Bernhard: „Das Rad, mit dem man am meisten fährt. Das man gut kennt. Der Schlüssel zum Erfolg ist einfach viel Radfahren.“ Außerdem sei das sehr von der Streckenführung abhängig: BMX-Räder sind gut auf engen kurvigen Strecken, hat man aber eine längere Gerade drin, sind die eher schlecht: „Da kann man schon mal auf 30 km/h kommen. Mit dem BMX ist das nicht so optimal.“ Wie man jedoch im Bild sieht, sind alle Fahrräder erlaubt.

Altbaukriterium Radrennen Wohnung

Altbaukriterium zu den olympischen Spielen!

Auch in München, Wien und Oldenburg fanden bereits Radrennen in Altbauwohnungen statt. Dabei war in Oldenburg das erste Rennen, wo Bernhard nicht anwesend war. „Es hat auch so gut funktioniert, da wir Ihnen die Software für die Zeitnehmung geschickt haben.“ Angst vor Nachmachern hat er keine: „Ein Journalist hat mich einmal gefragt, was ich tun würde, wenn man das nachmacht. Ich hab gesagt: Das wäre großartig, weil das heißt, dass die Idee so super ist, dass es viele Leute machen wollen.“ Auf die obligatorische Frage nach der Zukunft des Altbaukriteriums antwortet Bernhard so wie immer: „Olympische Spiele.“

Beim Altbaukriterium ist jeder willkommen, man sollte sich nur rechtzeitig anmelden, denn die 25 Startplätze sind begehrt und schnell weg.

Fahrradwerkstatt und fesches Stadtfahrrad

Mit dem Start des Altbaukriteriums vor fünf Jahren begann Bernhards Radleidenschaft. Damals baute er sich, da neue Räder entweder unfinanzierbar waren oder nicht gut genug waren, aus einem alten Puch Clubman ein schönes Stadtrad. Prompt gewann er in Wien damit einen Preis bei der Wahl zum schönsten Fahrrad der Stadt. Bis zur eigenen Werkstatt sollte es noch dauern, aber ein Funke war entzündet. Nachdem aber seine 23 -Quadratmeter-Wohnung mit 15 Rädern vollgestellt war, konnte Berhard einfach nicht mehr anders: „ich wusste, dass ich eine Werkstatt aufmachen muss.“

Nach seiner Ausbildung zum Fahrradtechniker hat Bernhard im September 2014 in der Schillerstrasse 2 – zwischen Kunstuni und TU Graz –seine Werkstatt und Radverkaufsstätte Muchar Upcycles. Symbolisch eigentlich ein ganz guter Ort für eine Werkstatt, die dem Upcycling-Konzept folgt: Elegantes Erscheinungsbild trifft hier auf nachhaltige und solide Fertigung.

Muchar Upcycle Bernhard Kober

Alten Teilen neuen Zweck geben

Beim Upcycling geht es nicht bloß um Recycling, d.h. ausgemusterte Teile wiederzuverwerten, sondern darum, Produkte – und hier eben meistens Räder – auf einen qualitativ hochwertigeren Stand zu bringen als beim Verkauf des Ursprungprodukts: „Etwas, das für unsere Gesellschaft Müll ist, zu etwas zu machen, das besser ist als zu dem Zeitpunkt, zu dem es verkauft wurde.“

Dem Satz, den wir alle kennen, weil wir ihn schon so oft gehört haben, „Schmeißens das weg und kaufens ein Neues“, tritt das Upcyling-Konzept entgegen: „Wenn man überlegt, wie viel Energie beispielsweise in die Produktion eines Fahrradrahmens fließt: Das Erz muss aus dem Berg herausgerissen werden, Stahl muss gemacht und der Rahmen muss daraus produziert werden“, da ist es naheliegend, alte Teile weiterzuverwenden

Aus einem „upgecycleten“ Fahrrad, das mit all seinen schlecht verbauten Teilen gerade einmal ein paar Jahre hält, wird im besten Fall ein Fahrrad fürs Leben. Davon profitieren alle: Produzenten, Konsumenten und vor allem auch die Umwelt. Denn in unserer Wegwerfgesellschaft ist das Zurückkehren zur Reparatur sicher einer der nachhaltigsten Wege.

Eine ganz normale Fahrradwerkstatt ist das Muchar Upcycles aber auch. Jegliche Reparaturen am Fahrrad können hier vorgenommen werden. „Und wer unbedingt ein neues Rad haben will, kann das auch bei mir kaufen. Ich kann alles bestellen, was notwendig ist.“

Das nächste Altbaukriterium findet am 22. Mai in Bremen statt. Hier geht es zur Facebook Veranstaltung des 4. Altbaukriteriums in Deutschland.

Foto © thepooldiariesvisuals Flickr

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