Das urbane Fahrradmagazin

Die Top 10 der fahrradfreundlichsten Städte 2017

Welche Städte dieser Welt sind fahrradfreundlich und warum? Diese und mehr Fragen führten Copenhagenize dazu, einen Index für fahrradfreundliche Städte zu entwickeln: The Copenhagenize Bicycle-friendly Cities Index. Auch 2017 wurden Städte und Agglomerationen anhand von 13 Kriterien bewertet. Wir stellen euch die Top 10 der fahrradfreundlichsten Städte 2017 vor.

Simone Feigl
In einem Haushalt ohne Auto aufgewachsen wurde das Fahrrad für Simone schnell zu einer großen "Radeln-bei-jedem-Wetter"-Leidenschaft. Als Communications und Projekt Managerin bei Bike Citizens in Graz trägt sie diese Leidenschaft in die Welt hinaus.
© Copenhagenize Design Company

1. Kopenhagen

Schon bei den Rankings 2011 und 2013 war Kopenhagen mit Platz 2 weit vorne. 2015 holte sich Kopenhagen zum ersten Mal den ersten Platz. Diese Spitzenposition konnte im aktuellen Ranking gehalten werden.
Mit seinem einheitlich gestalteten Radwegenetz ist Kopenhagen einzigartig in der Welt. Beeindruckende 134 Millionen Euro wurden in die Fahrradinfrastruktur investiert. Acht neue Brücken für Radfahrende (und Fußgänger und Fußgännerinnen) wurden gebaut, weitere acht sind in Bau oder in Planung. Der Havneringen, ein Radweg rund um den Hafen, wurde fertig gestellt, ebenso weitere Radschnellwege, die ins Zentrum führen, sowie eine digital gesteuerte Grüne Welle auf den wichtigsten Routen für Radfahrende. Alll das trägt dazu bei, dass beeindruckende 62 Prozent der Einwohner und Einwohnerinnen täglich mit dem Fahrrad fahren.

Radfahrstadt Copenhagen - Copenhagenize

Mehr als 60 Prozent der Einwohner und Einwohnerinnen fahren täglich mit dem Rad
Foto: © Copenhagenize Design Company

2. Utrecht

Mit dem Stadtentwicklungsplan „Utrecht Attractive and Accessible“ wurden in den letzten Jahren zahlreiche Schritte für den Radverkehr gesetzt.
Das viel beachtete Vorzeigeprojekt der weltweit größten Fahrradparkanlage für 12.500 Fahrräder steht kurz vor der Fertigstellung. Die Kapazität soll bis 2020 nochmal verdoppelt werden.
Utrecht investiert sehr viel in seine Fahrradinfrastruktur mit hohem Standard. Die mit sechs Kilometern  längste “Bicycle street” Hollands und die Dafne Schippersbrug Brücke sind nur zwei Beispiele dafür. Mit einem Anteil des Radverkehrs von 60 Prozent im Modal-Split** hat Utrecht zu den Siegerstädten der letzten Jahre, Kopenhagen und Amsterdam aufgeschlossen.

Cycling City Utrecht

Radfahren in Utrecht, Foto: © Copenhagenize Design Company

3. Amsterdam

Amsterdam galt viele Jahre als internationaler Maßstab unter den Fahrradstädten. Fast 60 Prozent der Bevölkerung ist täglich mit dem Rad unterwegs und legt dabei zusammen mehr als zwei Millionen Kilometer zurück. 73 Prozent der Bevölkerung hatmindestens ein Fahrrad. Und der Trend hin zum Fahrrad setzt sich fort. Ganz Amsterdam ist ein einziger Radweg und Radfahrende dürfen (fast) überall fahren.
Das führt aber zu Herausforderungen für die Stadtplanung.Die vorhandene Infrastruktur ist mit der Zahl der Radfahenden oft überfordert. Innovative Systeme wie in Kopenhagen oder Utrecht fehlen weitgehend. Ein zusätzliches Problem ist die explodierene Anzahl an Motorrollern (inzwischen sind es über 35.000), die auf den Radwegen unterwegs sind und ein Sicherheitsproblem darstellen.
Um die Vorreiterrolle nicht zu verlieren, muss Amsterdam zeigen wo und wie Weiterentwicklung im Radverkehr passieren soll. Zahlreiche großartige Projekte befinden sich in der Pipeline und warten auf die Umsetzung.

© Copenhagenize Design Company

4. Straßburg

Straßburg konnte sich nach dem Neueinstieg vor zwei Jahren im Index behaupten. Der Anteil am Modal-Split von 16 Prozent (höchster Wert in Frankreich) konnte um 3 Prozent gesteigert werden. Straßburg galt viele Jahre als einzige französische Fahrradstadt. Städte wie Paris, Bordeaux und Nantes orientieren sich nun an den stadtplanerischen Konzepten von Straßburg.
Mit dem Velohop hat Straßburg eines der am besten fuktionierenden Bike-Share Systeme. In keiner anderen Stadt sind so viele Radfahrende mit Leihrädern unterwegs. Mit dem in Bau befindlichen VeloStras Fahrrad-Highway-Netzwerk und einem neuen Förderprogramm für Lastenräder sollte es Straßburg gelingen, seine Spitzenposition in den kommenden Jahren zu halten.

5. Malmö

Malmö hat in den letzten Jahren starke Akzente für den urbanen Fahrradverkehr und den Gebrauch von Lastenrädern im Alltag gesetzt.
Nicht nur mit einer neuen Fahrradfähre nach Kopenhagen versucht Malmö den Anschluss an die Siegerstadt Kopenhagen zu schafffen.
Mit dem Cykelhuset wurde ein Wohnbau eröffnet, der das Fahrrad als wichtigstes Verkehrsmittel in den Mittelpunkt stellt und der Bevölkerung einen autofreien Alltag ermöglicht. Das neue Fahrrad-Hotel ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Malmo die Hauptstadt der fahrradfreundlichen Region Skåne in Südschweden ist.

6. Bordeaux

Mit Hilfe engagierter Politiker und einer starken Radlobby strebt Bordeaux an, bis zum Jahr 2020 zu einer der besten Fahrradstädte Frankreichs zu werden. Dazu wurde mit Vélo Métropolitain ein sehr ambitioniertes Programm ins Leben gerufen. Ein Budget von 75 Millionen Euro für die Fahrradinfrastruktur ist ein guter Anfang. Neben zahlreichen verkehrsberuhigenden Maßnahmen sollen eine der wichtigsten Brücken über die Garonne für den Autoverkehr gesperrt, das Bike-Share System ausgebaut und das Radwegenetz verdichtet werden.

7. Antwerpen

Antwerpen ist und bleibt Belgiens attraktivste Großstadt für Radfahrende. Mit beeindruckenden Fahrradparkstationen am Hauptbahnhof und anderen wichtigen Haltestellen und einem Radwegenetz, das auch die Vorstädte außerhalb der Ringstraße anbindet, hat sich Antwerpen vom 9. auf den 7. Platz verbessert. Großprojekte, wie Radwege entlang des Hafens, drei neue Brücken für Radfahende und Fußgänger und Fußgängerinnen wurden umgesetzt, weitere, wie das Ersetzen der Ringautobahn durch eine urbane Entwicklungszone mit Radwegen und wenig Autoverkehr, werden verwirklicht. Antwerpen ist auf dem besten Weg den Radverkehrsanteil deutlich zu erhöhen und eine der modernsten Fahrradstädte Europas zu werden.

8. Ljubljana

Ljubljana bietet alle Voraussetzungen um schon in wenigen jahren einen Modal-Split von 20 bis 30 Prozent zu erreichen. Der Fahrradbeauftrage ist einflussreicher und angesehener als in vielen anderen europäischen Städten. Die politischen Entscheidungstragenden sind ambitioniert. Seit Ljubljana im Jahr 2016 offiziell die Umwelthauptstadt Europas war, hat die Modernisierung der Fahrradinfrastruktur an Dynamik gewonnen.

9. Tokyo

Tokio kehrt 2017 mit eindrucksvollen Zahlen in den Copenhagenize Index zurück. 20 Prozent der mehr als 20 Millionen Pendler und Pendlerinnen fahren mit dem Fahrrad zur nächsten Bahn- oder U-Bahn Station. Also mehr als die Einwohnerzahl Berlins. In einigen Vorstädten ist ein Modal-Split Anteil von 30 Prozent oder mehr keine Seltenheit. Fahräder sind überall gegenwärtig.
Die neu gegründete Cycling Embassy of Japan (CEJ) betreibt großartige Arbeit und trägt dazu bei, dass Tokyo die attraktivste Megacity für Radfahrende ist. Der Bürgermeister Yuriko Koike will das Fahrrad bis zu den Olympischen Spielen 2020 als Hauptverkehrsmittel für den Alltag etablieren. Ein Vorhaben an dem zuletzt Rio und London gescheitert sind. Es bleibt zu hoffen, dass es Tokyo besser macht.

10. Berlin

Der Aufstieg von Berlin in die Top 10 ist vor allem dem außergewöhnlichen Aktivismus der Fahrrad Community zu verdanken. Der Volksentscheid Fahrrad hat zu einer breiten Diskussion geführt und die verantwortlichen Politiker dazu gezwungen, das Thema Fahrrad auf die Tagesordnung zu setzen. Der Modal-Split liegt bei respektablen 13 Prozent, manche Bezirke erreichen aber schon 20 Prozent oder mehr.
Ein neues Bike-Share-System, der Testlauf für verkehrsberuhigte Zonen und Grüne Wellen für Radfahrende sollen dazu beitragen, diesen Wert noch zu erhöhen. Die Anzahl der Lastenräder wächst exponentiell. Das zeigt, dass ein Großteil der Bevölkerung für einen Alltag ohne Auto in der Stadt gerüstet ist. Breitere und bessere Radwege sollten dieser Entwicklung Rechnung tragen. Der bizarre Mix an Fahrradinfrastruktur die in eine auf den Autoverkehr ausgerichtete Stadt gezwängt wurde, gehört aufgelöst.

12. Wien

Mit Wien hat zum ersten mal eine österreichische Stadt die Top 10 knapp verpasst. Nach zaghaftem Beginn hat sich die Stadt durch ambitioniertes Vorgehen bei der Verbesserung der Fahrradinfrastruktur gleich um vier Plätze verbessert und Städte wie Paris, München oder Hamburg hinter sich gelassen.
Verantwortlich dafür sind zahlreiche private Initiativen, die beeindruckende Anzahl an (von der Stadt geförderten) Lastenrädern und das erste Lastenrad-Verleihsystem Europas.
Die 1.300 Kilometer an Radwegen sind aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Der Ausbau des Netzes hat in vielen Teilen von Wien erst begonnen. Wien hat noch viel Luft nach oben, der Abstand zu Städten wie Kopenhagen ist sehr groß.

* Copenhagenize
Copenhagenize ist eine Unternehmensberatungs- und Kommunikationsagentur, die sich auf alle fahrradrelevanten Themen spezialisiert hat. Sie berät Städte und Regierungen bei der fahrradfreundlichen Gestaltung urbaner Landschaften. Der Fokus ihrer Beratertätigkeit sind Infrastrukturplanung und urbanes Design: http://copenhagenizeindex.eu

** Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Eine andere gebräuchliche Bezeichnung ist Verkehrsmittelwahl. Der Modal Split beschreibt das Mobilitätsverhalten von Personen. Ein Fahrradverkehrsanteil von 15 % am Modal-Split bedeutet, dass von von allen zurückgelegten Wegen ein Anteil von 15% mit dem Fahrrad zurückgelegt wird.

 

Simone Feigl
In einem Haushalt ohne Auto aufgewachsen wurde das Fahrrad für Simone schnell zu einer großen "Radeln-bei-jedem-Wetter"-Leidenschaft. Als Communications und Projekt Managerin bei Bike Citizens in Graz trägt sie diese Leidenschaft in die Welt hinaus.
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