Das urbane Fahrradmagazin

Urbaner Lebensraum für Menschen statt Autos

Madrid, Mailand und Hamburg zeigen, wie es geht. Die Städte der Zukunft verlangen neuartige Verkehrskonzepte, weg vom motorisierten Individualverkehr. Wie drei Städte es mit autofreien Zonen, autofreien Tagen und dem Ausbau vom Rad- und Fußwegenetz schaffen, Vorreiter zu werden.

TanjaHaiden_square
Sportskanone und Adrenalinjunkie und wie sie selbst sagt, bestens ausgestattet mit einem positiven Glückskind-Syndrom. Neben zahlreichen sportlichen Aktivitäten locken sie vor allem kreative Arbeiten. Im Job tobt sie sich deshalb mit Leidenschaft im Bereich Marketing und Kommunikation aus.
Foto: mermyth CC0

Drei europäische Städte sind Vorreiter für autofreie Zonen

Urbanität trifft autofreie Zonen. Immer mehr europäische Städte erkennen: Motorisierter Individualverkehr ist im urbanen Kontext limitierend. Die Städte der Zukunft verlangen neuartige Verkehrskonzepte. Nicht zuletzt aufgrund des verursachten Smogs, lästiger Verkehrsstaus und mangelnder Parkplätze. 90 Stunden pro Jahr verlieren Pendler in Los Angeles durch Verkehrsstaus (Sam Frizzel, 2014) . In Großbritannien verbringt der durchschnittliche Autofahrer in seinem Leben 2.549 Stunden oder 106 Tage für die Parkplatzsuche (Vergleiche: Wie weit komme ich in 5 Minuten mit dem Rad?) . Das ergab eine Studie von ParkatmyHouse. Lange Zeit versuchten Städte Verkehrsprobleme durch Erhöhung der Straßenanzahl in den Griff zu bekommen. Smarte Metropolen denken heute autofrei. Madrid, Mailand und Hamburg zeigen, wie es geht.

Madrid auf dem Weg zur lebenswerten Stadt

Immer mehr Zuspruch für Fußgänger und Radwege gibt es in Madrid. Kein Wunder, denn immerhin gehört Madrid zu den lautesten Metropolen der Welt. Die Stadtregierung setzt deshalb seit Jahren Maßnahmen, um mehr autofreie Zonen zu schaffen.

“these streets are made for walking“

Einst wichtige Straßen wurden zu Fußgängerzonen, beispielsweise die Calle del Arenal oder die Calle de Huertas. Auf zahlreichen Bürgersteigen der Innenstadt wurden Poller installiert, um ein Parken unmöglich zu machen. Bereits 2015 setzte man sich zum Ziel, große Teile der Innenstadt nur noch für Anrainer und Benutzer der dort liegenden Parkhäuser zugänglich zu machen. In den letzten Jahren wurde die Anzahl der Parkplätze in der Innenstadt stark reduziert und Strafen für Falschparker empfindlich (auf 90€) erhöht. Neue Parkuhren wurden aufgestellt, die über das Eintippen der Autokennzeichen die Modelle erkennen. Besitzer von Autos mit hohen Schadstoffwerten müssen höhere Gebühren zahlen.

24 neue Fußgängerzonen bis 2020

Bis 2020 sollen 24 der verkehrsreichsten Straßen zu Fußgängerzonen werden. Die Zone innerhalb des Autobahnrings M30 soll autofrei und somit zu einer so genannten „Área de Prioridad Residencial“ werden. Schon bevor sich das Stadtdesign in diese Richtung verändert, werden umweltschädliche motorisierte Verkehrsmittel aus der Innenstadt verbannt, indem diese mehr fürs Parken bezahlen. Ziel ist die total verkehrsberuhigte Innenstadt mit einer Größe von über 5.000 Hektar im Jahr 2020.

autofreie Innenstadt Madrid (c) Ayuntamiento Madrid

Madrid wird zur Fahrradstadt

Noch wird das urbane Zentrum Madrids nicht gerade von Massen von Fahrrädern geprägt. Diese vier Dinge zeigen aber, dass die Tendenz steigend ist:

  • Schöne Fahrradläden stärken die wachsende Fahrradkultur und bieten außergewöhnliche Räder an. Einer von ihnen ist Kapelmuur in Malasaña.
  • La Bicileta ist ein hippes Fahrrad-Café und Workspace, das sich ebenfalls in Malasaña befindet. Von der Decke hängen Fahrräder und Fotos, die von der Rennradgeschichte erzählen.
  • Parque Madrid Rio ist ein 15 km langer Park der sich beidseitig entlang des Flusses Manzanares erstreckt und von Fußgänger- und Fahrradwegen durchzogen ist.
Kapemur Fahrradladen

Die Fensterfront vom Fahrradladen Kapelmuur in Malasaña, Madrid (Foto: Till Hokema / www.cycleture.de)

Madrid Parque de Rio

Der Blick von der Puente de Toledo auf den Parque Madrid Rio (Foto: Till Hokema / www.cycleture.de)

Brücke für Radverkehr


Futuristische Brücke in den Park (Foto: Till Hokema / www.cycleture.de)

Bicimad nennt sich das öffentliche System für Bike Sharing in Madrid. Einzigartig ist, dass es auch eBikes gibt und somit auch für nicht Fahrradfahrer attraktiv ist. Allerdings richtet sich das Angebot derzeit nur an Anwohner.

Smoggy Mailand honoriert autofreie Tage

Europaweit hat Mailand die schlechteste Verkehrssituation. Smog ist seit Jahren ein großes Problem. Die Feinstaubkonzentration in Mailand hat bereits mehrmals mehrere Tage in Folge das EU-Limit von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. In diesen Fällen besteht nicht nur für Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten und Atemleiden erhöhte Gefahr, sondern für alle Menschen. Deshalb rief Mailand autofreie Tage ins Leben. Wer sich nicht daran hält, muss mit hohen Strafen ab 150 Euro rechnen. Um die autofreien Tage attraktiver zu machen werden in den Innenstädten Konzerte und Veranstaltungen organisiert.

“Park your car and go public” in Mailand

Im letzten Jahr ist Mailand einen Schritt weiter gegangen: wer sein Auto zu Hause lässt, wird mit einem Gutschein für öffentliche Verkehrsmittel honoriert. Damit ist pro Arbeitswochentag in der Zeit von 07.30 bis 19.30 eine Wegstrecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kostenlos. Mittels Telematik-Systemen und einer internetverbundenen Box am Armaturenbrett ist es möglich zu lokalisieren, ob das Auto tatsächlich zu Hause steht. Für jeden Tag an dem das Auto zu Hause steht, bekommen Mailänder einen Gutschein von der Stadt. Die Initiative „Park your car and go public!“ ist eine Partnerschaft der Stadtregierung, des öffentlichen Verkehrsnetzwerks, eines Versicherungsunternehmens und des Anbieters der Telematik-Systeme.

Hamburg wird grün vernetzt

Autofrei wird Hamburg bis 2034 nicht, aber dafür grüner. Mit einem freiraumplanerischen Konzept plant die Hansestadt ein grünes Netz, dass Einwohner und Urlauber begeistern wird. Über ein fahrrad- und fußgängerfreundliches Wegenetz werden attraktive Erholungsräume und Parkanlagen miteinander verbunden. Der Weg zu Fuß und am Rad soll damit überall möglich sein. Mehr als 40% des Stadtraumes soll das grüne Netz zukünftig abdecken. Geplant ist außerdem, dass benachteiligte Stadtzonen wie zum Beispiel der Bereich um die verkehrsbelastete A7 Autobahn durch die Errichtung von Parks eine grüne und lebensfreundliche Umgebung werden. So will Hamburg Fuß- und Radwege in diesen Stadtteilen attraktiver für die Einwohner machen. Ziel des Freiraum-Konzepts ist, dass die Hamburger Bürgerinnen und Bürger in der Entwicklung bis 2034 ihre Stadt mit dem Fahrrad oder zu Fuß besser erleben können.

Hamburg grünes Netz

Bild: Freiraumverbundsystem/ Grünes Netz Hamburg

Grüner werden in Hamburg nicht nur die Wege sondern seit April 2014 auch Hamburgs Dächer. Mit der Gründachstrategie will man den Anstoß für den Bau von mehr begrünten Dächern und Neubauten geben. Diese sollen als zusätzliche Grün-, Aufenthalts- und Erholungsflächen sowie als ein wichtiges Element zur Verbesserung des Stadtklimas und der Verschönerung des Stadtbilds dienen.

Global gesehen nimmt der Urbanisierungsgrad zu und die Bevölkerung wächst. Herkömmliche Verkehrssysteme und Straßennetzwerke stoßen an ihre Grenzen. Deshalb wird der motorisierte Verkehr in Europas Metropolen vermehrt zurück gedrängt. Doch die Menschen sind es gewohnt, mobil zu sein. In Europa geht der Trend eindeutig in Richtung nachhaltige Verkehrskonzepte. Dabei spielen im urbanen Zentrum vor allem Fahrrad- und Fußgängerwege sowie öffentliche Verkehrsmittel eine bedeutende Rolle.

Grafiken:
Freiraumverbundsystem/ Grünes Netz Hamburg
Ayuntamiento de Madrid
Foto:
Pixabay
Till Hokema /
www.cycleture.de

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