Manu Delago über Jausenboxen, Ökostrom und Fahrrad-Abenteuer auf der ReCycling Tour 2021
1.600 Kilometer mit den Fahrrädern quer durch Österreich. Das klingt nach einem aufregenden Abenteuer! Wenn es sich bei der illustren Truppe um Weltstar und Ausnahmemusiker Manu Delago samt Bandkollegen und Techniker handelt, dann klingt das nach einem unvergesslichen Roadtrip. Dass die Crew nicht zum Spaß unterwegs war, sondern die eigene Österreich-Tour inklusive Instrumente und Equipment abgeradelt ist, setzt ein großes Zeichen in der Musikbranche. Wir haben Manu Delago zum Interview getroffen und mit ihm die ReCycling Tour 2021 Revue passieren lassen.
Die ReCycling Tour 2021 führte euch mit den Fahrrädern rund 1600 Kilometer durch Österreich. Die musikalischen und technischen Vorbereitungen waren intensiv und dauerten viele Monate. Wie hielt es sich mit den sportlichen Vorbereitungen?
M: Ich selbst bin sehr sportlich und bin es auch gewohnt regelmäßig zu radeln. Langstrecke war aber auch für mich eine Prämiere – noch dazu mit Anhänger und Equipment. Die Erfahrung mit dem Rad zu touren war eine ganz besondere. Man ist nicht nur langsamer unterwegs als mit Flugzeug, Zug oder Tour-Bus, sondern bekommt die Umgebung anders mit. Mit dem Tour-Bus sieht man gewöhnlich viel Autobahn, Raststätten und dann die Konzert-Location vor Ort. Diesmal haben wir den Weg ganz anders – mit allen Sinnen – erleben können.
Vor wenigen Wochen fand im Juni 2021 das Abschlusskonzert der Tour in deiner Heimatstadt Innsbruck statt. Welche Erinnerungen hast du rückblickend an diese besondere Tournee?
M: Unsere letzte große Etappe ging von Südtirol über den Brenner zurück nach Innsbruck. Diese „Königs-Etappe“ hatten wir schon seit Planung der Tour 2018 im Kopf, denn die Kombination aus Wegstrecke, Höhenmeter und Konzert am selben Tag war tatsächlich extrem. Nach 10 Stunden am Rad wurden wir vom Publikum so unglaublich empfangen, dass wir auf der Bühne noch einmal alles geben konnten. Das war mitunter eines der emotionalen Tour-Highlights für mich.
Du bist als gefragter Musiker schon oft um die Welt gereist und man möchte meinen, eine solche Karriere ist auf umweltfreundliche Art und Weise einfach nicht möglich. Würdest du sagen, dass die ReCycling Tour 2021 das Gegenteil beweist?
M: Das Thema Klimaschutz war ein wichtiger Antreiber für unser Vorhaben. Vor allem wollten wir vom Reden ins aktive Tun kommen und versuchen, so viele Aspekte wie möglich abzudecken. Mobilität ist dabei natürlich ein wichtiger Schlüsselfaktor, aber eben nicht nur. Wir haben gemeinsam auf vegetarische Ernährung umgestellt und so gut wie möglich lokale Produkte konsumiert. Unser Essen haben wir in der Jausenbox transportiert, wir haben unterwegs Solarstrom erzeugt, den wir für die Shows genutzt haben. Wir haben Abfall vermieden und recycelt. Wichtig war für uns auch der Video-Blog, den wir für unsere Botschaften genutzt und zur Nachahmung inspiriert haben. Wir haben beispielsweise auch unsere Konzertbesucher aufgefordert nach Möglichkeit zu Fuß, per Fahrrad oder mit den Öffis anzureisen und freuen uns, dass so viele unserem Beispiel gefolgt sind.
Als internationaler Musiker werde ich es auch in Zukunft nicht schaffen, jede Tour mit dem Fahrrad zu machen. Aber es gibt neben der Mobilität so viele Entscheidungen, die man bewusst für den Klimaschutz treffen kann und das werden wir weiterhin machen.
Ziel war es auch, andere Musiker und Bands zu mehr Nachhaltigkeit zu inspirieren. Wie gelingt Nachhaltigkeit in der Musikbranche?
Die Einweg-Plastikflaschen sind schon noch üblich auf Konzerten. Uns geht es aber nicht darum mit dem Finger auf jene zu zeigen, die es unserer Meinung nach nicht richtig machen, sondern mit positivem Beispiel voranzugehen. Wir sind bestimmt nicht die einzige Band, die sich gegen Einweg-Plastikflaschen ausspricht. Allein in diesem Beispiel steckt enorm viel Potenzial im Umdenken und Abändern der Veranstalter-Policy. Wenn man sich vorstellt, dass ein Veranstalter ein Jahr lang kein Plastik mehr an Künstler und Publikum ausgeben würde, dann ist das ein beachtlicher Beitrag. Und darum lohnt es sich hier wirklich zu kommunizieren und Bewusstsein zu schaffen.
Das Musiker-Tour-Leben stellt man sich in der Regel anders – wahrscheinlich auch ungesünder – vor. Hast du dich nach der ReCycling Tour 2021 insgesamt fitter gefühlt?
M: Wir haben tatsächlich vor Tour-Start einen ärztlichen Gesundheitscheck gemacht und können heute schwarz auf weiß sagen, dass sich die Tour bei uns allen positiv ausgewirkt hat. Ein wirklich schöner Nebeneffekt, den sowohl das Radfahren, aber bestimmt auch die bewusste Ernährung mit sich gebracht haben.
Wie viel ReCycling-Mindset hast du von der Tour mit in den Alltag genommen?
M: Ich würde schon sagen, dass ich in puncto Nachhaltigkeit noch achtsamer geworden bin. Ich habe schon bestimmt seit 10 Jahren kein Auto mehr und fahre so gut wie alles mit dem Fahrrad. Für Transporte nutze ich den Radanhänger oder auch Car-Sharing. Was mir durch die Tour noch bewusster geworden ist, ist wieviel Verpackungsmüll eigentlich durch Take-Away-Essen anfällt. In einer Video-Episode zeigen wir den Direktvergleich zwischen Lieferessen und unserem Essen aus der Jausenbox und haben selbst ein großes Aha-Erlebnis. Es macht ja auch einen Unterschied, ob die Pizza im Karton geliefert wird, oder ein Essen in fünf Plastikschälchen daherkommt.
Das Reisen ist ein Aspekt, auf den ich momentan nicht komplett verzichten kann. Als ich vor 15 Jahren angefangen habe international aufzutreten, da habe ich darüber gar nicht nachgedacht. Ich bin in jedes Land geflogen, wo ich die Möglichkeit hatte zu spielen. Mittlerweile bin ich bei der Wahl der Konzert-Locations selektiver und plane die Routen auch so, dass sich mehrere Ziele verbinden lassen. Reine Konzertflüge gibt es kaum noch – wenn möglich verbinde ich berufliche Reisen mit einem privaten Aufenthalt. So versuche ich zumindest notwendige Flüge maximal zu nutzen.
Du hast viele Länder bereist und etliche Städte unsicher gemacht. Welche Städte sind dir als besonders fahrradfreundlich in Erinnerung?
M: Ich weiß zum Beispiel, dass Holland und Dänemark zu den fahrradaffinen Ländern zählen. Meine persönliche Erfahrung mit dem Fahrrad in Holland war aber durchwachsen. Die vielen Radfahrer und auch Mopeds auf den Fahrradwegen haben mich fast schon ein bisschen gestresst, obwohl natürlich die Infrastruktur für Radfahrer ein Wahnsinn ist. Meine Wahlheimat London ist am Aufholen würde ich sagen. Da entstehen gerade viele neue Cycle Lanes und es gibt auch Cycle Super Highways. Berlin habe ich als sehr chillige Fahrrad-Stadt in Erinnerung – nicht vergleichbar mit dem hektischen Radverkehr auf den Londoner Rad-Highways.
Zurück nach Österreich und zu eurer Tour: Ihr konntet ja auch nach längerer Corona-bedingter Pause zum ersten Mal wieder vor Live-Publikum auftreten. Wie emotional war das erste Live-Konzert?
M: Dazu muss man wissen, dass wir zum Start der Tour noch ohne Publikum auskommen mussten. Genau genommen durften wir die ersten 19 Tage durch die Corona-Verordnungen kein Live-Publikum bespielen. Die ersten fünf Konzerte wurden daher übers Internet gestreamt. In dieser Zeit haben wir auch ganz viel Fokus auf unseren Video-Blog gehabt und hier viel Zeit und Energie reingesteckt. Am 19. Mai kam es dann zur Öffnung und wir konnten von da an 13 Konzerte vor Publikum spielen. Das hat uns natürlich richtig viel Rückenwind gegeben.
Das erste dieser 13 Konzerte fand in Wien statt. Wir haben das Konzert von 17. Mai, das noch nicht stattfinden durfte, auf den 19. Mai verschoben und mussten am Vormittag spielen, um abends wie geplant in Kottingbrunn auftreten zu können. So haben wir zur geografischen Halbzeit tatsächlich unser erstes Live-Konzert in der Hauptstadt gespielt. Obwohl vormittags nicht die klassische Konzertzeit ist, war die Stimmung einmalig und der erste Live-Applaus hat der ganzen Tour einen Turn und eine ganz andere Bedeutung gegeben. Auch das Publikum war ja nach langer Zeit wieder zum ersten Mal bei einem Live-Act und der erste Applaus in Wien galt gefühlt nicht nur uns, sondern sollte den Sound des Applauses wieder einmal richtig spürbar machen. Pure Gänsehaut! Die Auftritte haben mich unglaublich erfüllt und die intensiven Emotionen haben die ReCycling Tour 2021 so einzigartig gemacht.
Apropos einzigartig: Wird es in Zukunft weitere Projekte wie dieses geben?
M: Wir stecken gerade mitten in den Vorbereitungen für die europaweite Tour im Herbst – diesmal aber ohne Fahrrad! Diese Tour stand schon länger am Plan und daraus eine ReCycling Tour zu machen wäre viel zu kurzfristig gewesen. Schon aufgrund der Routenplanung mit Rad braucht es eine viel längere Planungszeit. Eine internationale Tour mit dem Fahrrad wird es aber geben! Das wird noch einmal eine ganz neue Herausforderung. Wir nehmen auf jeden Fall jede Menge Erfahrung aus unserer Prämiere mit. Für eine internationale Tournee braucht es mehr Pausen und die Konzertfrequenz wird geringer sein. In Österreich hatten wir ursprünglich 25 Konzerte am Plan – also 5 Konzerte und 6 Radtage die Woche. Wir wissen jetzt zwar, dass der Körper das schafft, aber wir werden beim nächsten Mal auch mehr Regenerationszeit einplanen. Realistisch ist eine internationale Tournee mit Fahrrad frühestens im Herbst 2022, wahrscheinlich aber eher 2023. Wir freuen uns schon drauf!
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Das Interview haben wir gemacht, weil wir die Idee einer Tour mit dem Lastenrad fantastisch und unterstützenswert finden.