Das urbane Fahrradmagazin

If You Build It, They Will Come!

Stell dir vor: Du gehst durch eine Straße deiner Stadt und überlegst, wie diese Straße ohne parkende Autos aussehen würde. Leere Parkplätze und Flächen voller Potenzial, das nur erkannt werden muss. Im Sinne der Verkehrswende hat sich Samuel Hönle im Rahmen seiner Masterarbeit mit dem Thema Fahrradinfrastruktur auseinander gesetzt, die Auswirkungen von neu gebauten Radwegen analysiert und ist im Zuge dessen auf ein spannendes Ergebnis gestoßen.

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Im Rahmen des Bachelorstudiums Marketing & Sales gilt es die Theorie in der Praxis anzuwenden. Deshalb hat es die sportbegeisterte Verena zu Bike Citizens verschlagen, wo sie als Marketing Assistenz ihr Berufspraktikum absolviert. Doch auch in der Freizeit kommt die Bewegung nicht zu kurz, egal ob es eine Radtour ist, eine Bergwanderung, ein Lauf mit dem Hund oder das Training im Fitnessstudio – Sport muss in der täglichen Routine inkludiert sein.
© Samuel Hönle

Worum geht es?

„If you built it, who will come?“ ist das Thema der Masterarbeit von Samuel. Die Fragestellung, die er klären wollte war: Von wem wird Fahrradinfrastruktur genutzt und in welchem Ausmaß. Er wollte herausfinden, welchen Effekt ein positives Fahrraderlebnis hat oder konträr gefragt, welche Auswirkungen schlechte Erfahrungen mit dem Fahrrad haben. Dafür hat er mit Daten von Bike Citizens und dem KYUC Umfragetool gearbeitet und für den untersuchten Radweg in Wien sehr interessante und teilweise auch unerwartete Ergebnisse erhalten.

Was war der Anreiz?

Ursprünglich aus Graz stammend, hat er während seiner Schulzeit an der HTL Kaindorf sein Interesse an Politik entdeckt und infolgedessen in Wien Politikwissenschaften, Software & Information Engineering studiert. Dort wurde ihm dann bewusst, dass seine Begeisterung für die Stadt immer größer wurde, vor allem die politischen Vorgänge, aber auch das Erscheinungsbild, Lebensqualität und Umwelt, haben sein Interesse geweckt. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit war er in Kontakt mit Bike Citizens und hat ein Umfragetool entwickelt, mit dem man innerhalb der App Umfragen durchführte, die Antworten der User*innen mit Daten verbindet und so Analysen ermöglicht.

Nach seinem Bachelor wollte er beide Studiengänge miteinander kombinieren und ist in Glasgow fündig geworden. Jetzt hieß es die Theorie in die Praxis umzusetzen und das Umfragetool wurde begleitend zum Bau eines neuen Radweges auf der Linken Wienzeile erstmals zum Einsatz gebracht. Es galt zu analysieren, wie genau die Leute mit dem Fahrrad fahren und ob das Benutzen des neuen Weges entlang der Linken Wienzeile Radfahrer*innen dazu bringt mehr mit dem Rad zu fahren.

© Samuel Hönle

Das Mobilitätsverhalten von Wien und Glasgow

In Wien fährt Samuel regelmäßig mit dem Rad, einerseits weil er auf kürzeren Strecken mit dem Fahrrad schneller unterwegs ist als mit dem Auto und andererseits weil er all seine Wege mit dem Rad zurücklegen kann. Als es Samuel dann nach Glasgow verschlug ist er jedoch kaum noch mit dem Fahrrad gefahren.

„Das Auto dominiert alles.“

Samuel Hönle

Samuel meinte, dass ihm in Glasgow ziemlich schnell bewusst wurde, dass dort Respekt und Wertschätzung gegenüber Radfahrer*innen nicht existiert. Es wird von anderen Verkehrsteilnehmer*innen keine Rücksicht genommen und es gibt sehr wenig geschützte Radwege. Das war letztlich auch für Samuel ausschlaggebend, um das Rad lieber in der Ecke stehen zu lassen und andere Verkehrsmittel zu wählen.

Warum die Linke Wienzeile?

Samuel hat die Linke Wienzeile bewusst gewählt, da der Bau dieses Radweges politisch besonders umstritten war. Durch den Wegfall einiger Parkplätze, hatten Personengruppen – Anrainer*innen und Unternehmer*innen Sorge, dass Verkehrsbehinderungen und Umsatzeinbußen zu erwarten sind. Trotz dieser Bedenken wurde der Fahrradweg gebaut und Samuel erforschte die tatsächlichen Auswirkungen auf den Radverkehr und ob es sich letztendlich ausgezahlt hat einen neuen Weg für Radfahrer*innen zu bauen.

Verwendete Tools

Samuel hat für die Analyse die GPS Daten der Bike Citizens Nutzer*innen verwendet und um einen Konsens herstellen zu können, ein Umfragetool entwickelt. Verglichen wurden die Daten der Bike Citizens User*innen vor dem Bau des Radweges mit den Daten, die nach der Fertigstellung erhoben wurden. Grundsätzlich wäre es möglich gewesen auch soziodemografische Unterschiede festzustellen. Interessante Fragestellungen, wie beispielsweise: Hilft der Radweg Geringverdiener*innen oder gibt es einen genderspezifischen Unterschied können auch analysiert werden. Leider waren nicht genügend Daten vorhanden, um diesbezüglich eine fundierte Aussage treffen zu können. Es gab jedoch Hinweise, dass der Effekt für jene stärker sein könnte, die ein Unter-Medianes-Durchschnittshaushaltseinkommen haben und für jene Menschen, die keinen Zugang zu einem Auto haben oder bewusst darauf verzichten.

Ergebnis der Masterarbeit

Ob neu gebaute Fahrradwege alltägliche Wege ermöglichen oder erleichtern, war die Frage, die Samuel interessierte. In diesem Fall hat der Ausbau der Linken-Wienzeile seiner Analyse nach starke Effekte auf das Mobilitätsverhalten der Wiener*innen. Aus den gesammelten Daten konnte er herausfinden, dass jene Radfahrer*innen, die den Radweg benutzt haben im Monat 20% mehr mit dem Fahrrad gefahren sind. Gemeint ist hierbei nicht, dass nur die Linke-Wienzeile um 20% mehr benutzt wurde, sondern dass die Menschen insgesamt öfter zum Rad gegriffen haben als davor.

Wie sieht es mit der Infrastruktur in Österreich aus?

Es gibt sehr viele Menschen, die nicht mit dem Rad fahren, weil die Infrastruktur nicht vorhanden ist oder als unsicher empfunden wird.

 

„Wenn man für die Verkehrswende ist, die Menschen aus den Autos rausholen möchte und auf eine grüne Alternative umsatteln will, dann kann man nicht zufrieden sein.“

Samuel Hönle

Fazit

Es lohnt sich in Fahrradinfrastruktur zu investieren! Anhand Samuel’s Untersuchung kann man erkennen, dass ein neuer Radweg mehrere positive Effekte erzielt. Beispielsweise dass generell mehr mit dem Fahrrad gefahren wird. Ziel sollte es sein, eine sichere Fahrradinfrastruktur zu erbauen, damit sich die Radfahrenden wirklich sicher fühlen. Dafür ist es notwendig zu untersuchen, inwiefern sich die Effekte zwischen den verschiedenen Sicherheitslevels der Fahrradinfrastruktur unterscheiden. Laut Samuel ist der Gendergap beim Radfahren groß, da ein Großteil der bestehenden Radinfrastruktur zu einem Zeitpunkt gebaut wurde, als die Stadtplanung von Männern dominiert wurde und hauptsächlich auf das Mobilitätsverhalten von Männern ausgerichtet war. Frauen, ältere Menschen, aber auch Menschen in Teilzeitarbeit haben ganz andere, unterschiedliche Mobilitätsmuster. Es ist wichtig, dass man die Fehler der Autoinfrastruktur nicht wiederholt und die Radinfrastruktur einfach nur dorthin baut, wo jetzt Autos unterwegs sind, sondern es diesmal besser macht und die Fahrradinfrastruktur so inklusiv baut, dass sie von allen Bevölkerungsgruppen genutzt werden kann.

 

© Samuel Hönle
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Im Rahmen des Bachelorstudiums Marketing & Sales gilt es die Theorie in der Praxis anzuwenden. Deshalb hat es die sportbegeisterte Verena zu Bike Citizens verschlagen, wo sie als Marketing Assistenz ihr Berufspraktikum absolviert. Doch auch in der Freizeit kommt die Bewegung nicht zu kurz, egal ob es eine Radtour ist, eine Bergwanderung, ein Lauf mit dem Hund oder das Training im Fitnessstudio – Sport muss in der täglichen Routine inkludiert sein.
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