Mein Bike, mein Business: Originelle Geschäftsideen rund ums Rad
Menschen mit Mut zum Neuen und Lust auf Selbstständigkeit machen ihre Leidenschaft für das Fahrrad zum Beruf: Lastenrad statt Familienkutsche und Umzugswagen. Der Verleih einer Just-married-Hochzeitsrikscha an Brautpaare, die keine Stretchlimo wollen. Die Gründung einer Rad-WG für sichere Unterstellmöglichkeiten in leerstehenden Geschäftslokalen. Wir stellen drei originelle und nachhaltige Ideen aus Österreich und Deutschland vor.
Fairer und ökologischer Transport mit dem Lastenrad
Lastenräder kommen dann zum Einsatz, wenn’s mal etwas mehr sein darf: Mit Anhänger hinten oder Ladefläche vorne sind Transporte bis 60 Kilogramm Last machbar. Bei normaler Fitness, ohne Motor. In Österreich waren die drei Jungs von Heavy Pedals die ersten, die Lastenräder verliehen und verkauften. Noch heute sind sie Pioniere im Schwertransport per Fahrrad. Florian „Flo“ Weber ist einer von ihnen. „Wir haben 2009 das erste Lastenrad gekauft. Ich habe damals beruflich Videos gedreht und konnte so mein Equipment transportieren. Mit zwei Freunden, die aus dem fairen Textilhandel bzw. der Tourismusbranche kamen, habe ich zwei weitere Räder gekauft und wir haben die Heavy Pedals gegründet.“
Eine Firma ruft an: Transport am Montag für ein Catering? Geht klar! Flo empfiehlt einen der hauseigenen Fahrer gleich dazu, denn so ein Lastenrad fährt sich anders, erfordert Übung. „Wir sind das einzige faire und ökologische Unternehmen dieser Art in Wien. Unsere Fahrer sind fix angestellt und werden übertariflich bezahlt. Bei anderen Radbotendiensten brauchen die Fahrer einen Gewerbeschein und sind nicht versichert.“
Käufer von Lastenrädern sind meist junge Familien, die ihre Kinder lieber vor sich in einer Kiste sitzen haben als hinten im Anhänger. So praktisch das auch ist, bleibt ein Wermutstropfen: Leider gibt es kaum Stellplätze für die überlangen oder breiteren Lastenräder, also stehen sie in der Regel vor der Tür. Nette Nebenwirkung für die Heavy Pedals: der Werbeeffekt. „In Wien kennt man uns. Aber bei Transporten in anderen Städten, etwa in Linz, merken wir, dass Lastenräder noch weitgehend unbekannt sind“, so Flo.
Gut beladen bringt Peter von den Heavy Pedals die Lieferung ans Ziel.
Ökologisch und originell heiraten mit Rad oder Rikscha
Diesen Werbeeffekt nutzt auch Anne-Katrin Schmülling. Vor sechs Jahren hat die Radiomoderatorin und Projektmanagerin ihr Unternehmen „Miss Wedding“ gegründet. Seitdem bekommt die Weddingplannerin oft Anfragen von Brautpaaren, die ihr Hochzeitsrad unterwegs gesehen haben: Weiß, Beiwagen, Blumenranke, Schild „Just married“ – das fällt auf, sogar in einer Fahrradstadt wie Heidelberg. „Wenn ich selbst die Hochzeit plane, ist das Rad im Gesamtpaket mit drin. Es gibt aber viele Paare, vor allem junge, die nur das Rad mieten“, so Schmülling. Damit fahren sie gern vom Standesamt zur Kirche. Clever, ist doch die Altstadt in Heidelberg für Autos gesperrt.
„Den Service des Weddingplanners kennen viele in Deutschland noch immer nicht. Deshalb buchen mich vor allem internationale Paare mit Bezug zu Heidelberg.“ Die meisten lieben wie Schmülling Radfahren und out-of-the-box-Ideen. Sie grinst: „Ich habe neu eine romantische Hochzeitsrikscha im Angebot. Da kann hinten nur einer sitzen – und je nachdem, wie emanzipiert das Paar ist, radelt auch schon mal die Braut.“
Die Hochzeitsrikscha zieht so einige Blicke auf sich.
Fahrradgaragen für mehr Sicherheit und gegen Leerstand
Mut zur Selbstständigkeit hat auch Lisa Schmidt. Die freiberufliche Kulturmanagerin entwickelt Projekte zur soziokulturellen Bespielung von Stadtraum, die Rad-WG ist ihre Vision: In der Stadt mangelt es an sicheren Abstellplätzen für Fahrräder. Altbauten ohne Radkeller, Innenhöfe ohne Überdachung oder Hausflure ohne „Parkerlaubnis“ seitens des Vermieters machen es für viele eigentlich Radelwillige unattraktiv, täglich das Rad zu nutzen.
Lisa hat diesen Bedarf erkannt und schlägt mit ihrer Rad-WG zwei Fliegen mit einer Klappe: sichere, wettergeschützte und leicht zugängliche Unterstellmöglichkeiten für die geliebten Drahtesel einerseits und die sinnvolle Nutzung von leerstehenden Geschäftslokalen andererseits. Von denen gibt es in Wien nämlich so einige. Dafür hat sie im 6. Gemeindebezirk nahe der Shoppingmeile Mariahilferstraße ein videoüberwachtes Souterrain-Lokal mit Platz für 40 Räder gemietet. 18 Euro monatlich sichern mittels personalisiertem Chip den Zugang zum automatischen Rolltor – 24/7. Werkzeug steht bereit, für E-Bikes gibt es an jedem Stellplatz eine Steckdose.
Die Rad WG verwandelt leerstehende Gebäuden in Abstellplätze für Fahrräder.
„Diese Rad WG ist der Prototyp, seit Oktober 2014 sind wir im Testbetrieb. Noch wirft der kein Geld ab. Aber ich träume von fünfzig solchen Rad-WGs in ganz Wien. Für eine richtige Community mit Workshops und Networking. In Wien gibt es so viel Leerstand, den man sinnvoll nutzen kann“, so Lisa.
Ebenso sinnvoll fand das die Stadt Wien: Beim Wettbewerb „Cycling Affairs“ der Wirtschaftsagentur Wien (departure) räumte Lisa 2013 den ersten Preis ab – 7000 Euro. Ihre Idee kommt auch bei den Anwohnern gut an. Beim Gründungstreffen redeten sie mit, bleiben mit Newslettern auf dem Laufenden und geben Feedback zur Umsetzung. Aktuelle Tendenz unter den Mietern: „Frauen über vierzig. Viele fangen gerade wieder an, Rad zu fahren. Eben weil sie jetzt eine gute und sichere Unterstellmöglichkeit haben. Das ist ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Leute.“
Foto © Heavy Pedals ; © Miss Wedding & © Rad WG
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