Das urbane Fahrradmagazin

Ohne Kerosin nach Berlin – Radfahren und Klimaprotest statt Kurzstreckenflug

Students For Future Köln organisieren die wohl bisher längste Klimademo auf dem Fahrrad. Jeder und jede kann auf der 15-tägigen Tour von Köln nach Berlin mit radeln - so weit oder so lang man will. Melde dich jetzt an und tritt mit vielen Menschen für eine enkeltaugliche Klimapolitik in die Pedale.

karen Greiderer_squarel
Seit 2017 leitet Karen das Urban Independence Magazin. Die leidenschaftliche Pedalistin hat bereits einige (Welt-)Reisekilometer im Radsattel gesammelt. Heute verbindet sie entweder Faltrad plus Kinderanhänger oder Kompakt-Cargobike mit der Bahn in Berlin und Brandenburg - meist mit ihrer Tochter auf Tour. Ihr Zugang zum Fahrrad(fahren) ist vielschichtig-detailverliebt aber stets pragmatisch und reicht in ihre frühen Jugendtage in Österreich zurück.
Foto © Ohne Kerosin nach Berlin / Students For Future Köln

Bike Citizens: Wieviele Flüge gibt es täglich zwischen Köln und Berlin?  
Students For Future: Im Jahr 2018 sind täglich etwa 37 Flugzeuge hin und her geflogen. Das sind über 13.000 Flüge pro Jahr – nur zwischen Köln und Berlin. Ein Unding aus unserer Sicht. Besonders, da wir den Klimawandel doch auch schon in Deutschland bemerken. Das ist sehr verantwortungslos. Flüge über ein solche Distanz stehen in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den sie anrichten. Es gibt neben dem Fahrrad auch andere, alltagstaugliche Alternativen, wie zum Beispiel den ICE.

Ihr wollt im Herbst 2020 „Ohne Kerosin nach Berlin“. Was habt ihr vor?
Wir als Students For Future planen eine große Radtour: In 15 Tagen – vom 4. September bis zum 18. September – geht es auf dem Fahrrad von Köln nach Berlin. Auf der etwa 700 Kilometer langen Route wollen wir mit vielen Menschen aktiv gegen eine Klimapolitik protestieren, die unsere Zukunft aus den Augen verloren hat.

Wer steckt hinter „Ohne Kerosin nach Berlin“?
Die Idee ist bei den Students For Future aus Köln entstanden. Mittlerweile stehen viele Ortsgruppen der Students For Future in Deutschland hinter der Aktion und beteiligen sich an der Vorbereitung. Außerdem erfahren wir viel Unterstützung von anderen Klima-, Umwelt- und Fahrradaktivisten und Aktivistinnen.

Wer radelt mit?
Alle Menschen sind willkommen, ganz egal ob sie die gesamte Strecke von Köln nach Berlin radeln, oder eine Teilstrecke bzw. Tagestouren mitfahren.

Die Idee stammt von den Students For Future Köln. Mittlerweile machen viele Ortsgruppen mit! Foto © Ohne Kerosin nach Berlin / Students For Future Köln

Zu wievielt seid ihr aktuell?
An der Planung arbeiten etwa 30 Leute. Über unseren Telegram Channel erreichen wir über 250 Begeisterte und es werden täglich mehr. Seit Anfang Juni ist die Anmeldung auf unserer Website offen. Es haben sich schon über 50 Personen registriert!

Warum radelt ihr im September?
Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 13. September 2020 bieten zum einen den passenden Rahmen, um auf die mangelnde Klimapolitik aufmerksam zu machen. Auf der einen Seite haben wir als Studierende Semesterferien und Viele werden aus dem Sommerurlaub – sofern ein solcher möglich ist – zurück sein. Und: Wir hoffen natürlich auf gute Wetterbedingungen!

Über die Route


Könnt ihr mal einen Überblick über die Distanz Köln-Berlin geben? Was ist das in Luftlinie? Wie lang ist die Strecke mit dem Rad oder dem Auto?
Die Gesamtstrecke per Rad ist etwa 660 Kilometer lang. Luftlinie sind es etwa 540 Kilometer; mit dem Auto um die 570. Unsere Route wird sich auch noch verlängern, da wir naheliegende Städte anfahren. Wr wollen uns mit den Menschen in den Ortschaften austauschen und natürlich auf uns aufmerksam machen!

Wieso braucht ihr für die Strecke mehr als zwei Wochen?
Wir haben von Radfahrern und Radfahrerinnen gehört, die die Strecke in vier Tagen gefahren sind. Das kommt für uns nicht in Frage. Wir haben uns ein politischen Ziel gesetzt und kein Radrennen vorgenommen. Während der Tour werden wir uns also Zeit lassen, damit viele Menschen mitfahren können. Es wird die Möglichkeit für ein Kennenlernen und für Abendprogramm geben. Das ganze soll Spaß machen. Und ein einmaliges Fahrraderlebnis werden!

Illustration © Students For Future Köln / OKNB

Gibt es eine Route?
Los gehts am 4. September am Kölner Dom. Dann fahren wir etwa 50 Kilometer pro Tag. Wir halten  in Dortmund, Münster, Hannover und Magdeburg. Am 18. September „landen“ wir in Berlin. Und wir demonstrieren  selbstverständlich an relevanten Orten, die im Zusammenhang mit der Klimakrise stehen, wie beispielsweise das neue Steinkohlekraftwerk in Datteln oder in der Fahrradstadt Münster für eine sofortige Verkehrswende. Die Tour endet mit einer Großdemo in Berlin.

Packliste Fahrradtour

Im OKNB-Manual auf der Website findet man hilfreiche Tipps fürs Packen und Radreisen. Illustration © Students For Future / OKNB

Wie funktionieren Unterbringung und Versorgung?
Wir werden sowohl Zeltplätze und Schlafmöglichkeiten auf Privatgelände als auch eine Grundversorgung an veganem Essen anbieten – für alle, die sich rechtzeitig angemeldet haben. Wobei eine Anmeldung nicht verbindlich ist. Alles wird kostenlos sein. Allerdings ist das kein Urlaub. Unsere politischen Bemühungen stehen im Vordergrund.

Wünsche und Forderungen

Ihr wollt mir einer Radtour unterschiedlichste Leute auf die Dringlichkeit der Klimadebatte sensibilisieren – wie macht ihr das?
Wir wünschen uns Klimagerechtigkeit. Und wir wollen die Bedürfnisse und Hoffnungen aller in Deutschland betroffenen Menschen hören und berücksichtigen. Mit der Wahl des Fahrrades als Fahrzeug wollen wir deutlich machen, dass es keinen Grund mehr gibt an schmutziger Mobilität festzuhalten. Zum anderen wollen wir durch die Fahrradtour möglichst viele Menschen erreichen und zusammen, als eine Gruppe die Stärke der Bewegung demonstrieren.

Der Klimawandel ist für manche Leute sehr abstrakt und sehr weit weg…
Mit der Fahrradtour möchten wir einen Austausch zwischen Menschen ermöglichen, die von der Klimakrise und möglichen klimapolitischen Maßnahmen betroffen sind. Gleichzeitig möchten wir auch mit jenen, die bisher keine Berührungen mit der Klimabewegung hatten, ins Gespräch kommen. Und es ist uns wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass schon heute Menschen stark unter der Klimakrise leiden, besonders im globalen Süden. Das ist für viele Leute hier in Deutschland sehr weit weg und stößt daher leider oft auf Desinteresse. Aber auch in Deutschland ist die Situation schon akut: Wahrscheinlich steht uns der dritte Dürresommer bevor. Die Landwirtschaft kämpft mit extremer Trockenheit und Rekordtemperaturen. Das sind ganz eindeutige Auswirkungen des Klimawandels – direkt vor unserer Haustür!

Vorfahrt fürs Klima: Was sind eure Forderungen an die Politik?
Wir fordern eine Politik, die sich sofort für eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen einsetzt! Nehmen wir beispielsweise die Verkehrswende: Einige wenige fliegen auf Kosten aller sehr kurze Strecken, statt diese mit der Bahn zu fahren – weil sie nicht verzichten wollen, aber auch weil die Politik nicht eingreift. Außerdem arbeiten Menschen im Öffentlichen Nahverkehr weiterhin unter miserablen Bedingungen , obwohl sie die Mobilität der Zukunft darstellen – während Bahntickets weiterhin noch völlig überteuert sind. Wir fordern die Politik dazu auf, den Lenker rumzureißen und Anreize für klimaneutrales Handeln zu schaffen. Wir brauchen eine umweltverträgliche aber auch sozial gerechte Fairkehrswende!

Habt ihr auch Wünsche an die Bevölkerung?
Ein Umdenken. Wir wünschen uns, der Klimakrise gemeinsam, solidarisch und kreativ zu begegnen. Sich gegeneinander zu stellen und schlechte Absichten zu unterstellen bringt uns nicht weiter. Es ist Zeit, die generelle Angst vor Veränderung zu überwinden und sie in die Freude auf eine klimagerechte Zukunft umzuwandeln. Wir hoffen mit der Radtour so viele wie möglich dazu anregen, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen und miteinander in Diskurs zu gehen. Mit der gemeinsamen Radtour soll sichtbar werden: Wir sitzen alle im selben Boot und müssen jetzt gemeinsam aktiv werden.

Foto © Students For Future / Ohne Kerosin nach Berlin

Die Klimabewegung und das Fahrrad

Warum passen Fridays For Future bzw. Students For Future, Radfahren und die Verkehrswende einfach zusammen?
Neben der Energiewirtschaft und der Industrie ist der Verkehr für den größten Anteil der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Ohne ein Umdenken im Bereich der Mobilität lassen sich die CO2-Emissionen in Deutschland nicht ausreichend senken. “Ohne Kerosin nach Berlin” verbindet dabei den Klimaprotest auf der Straße mit den Forderungen einer sofortigen und nachhaltigen Verkehrswende.

Wie kann man euch unterstützen?
Alle Menschen, die mitfahren wollen, sind herzlich willkommen. Weitere Informationen und eine unverbindliche Anmeldung ist auf unserer Website unter https://sff-koeln.de/ohne-kerosin-nach-berlin/ zu finden. Und natürlich freuen wir uns über alle, die die Tour davor bewerben und weitersagen – egal wie!

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie eure Arbeit und die Tour?
Die Corona-Kriese hat uns sehr beeinflusst. Wir haben sogar darüber nachgedacht, die Tour abzusagen. Aber wir haben uns dagegen entschieden: Der Klimawandel wartet nicht. Wir müssen handeln! Trotz alledem haben wir die aktuelle Situation im Blick. Wir werden unter keinen Umständen ein Risiko eingehen und gut planen!

Meine persönliche Frage an euch: Was bedeutet für euch Urban Independence?
Die Selbstverständlichkeit, dass das Fahrrad auch im Alltag in der Stadt als sicheres und schnelles Verkehrsmittel genutzt werden kann.

Was wollt ihr unsere Leser und Leserinnen fragen?
Wie kommst DU im September nach Berlin?

Und wie kommst du im September nach Berlin? Foto © Ohne Kerosin nach Berlin / Students For Future

Die Klimabewegung auf dem Rad! 

Grafik / Logo © Students For Future / Ohne Kerosin nach Berlin

karen Greiderer_squarel
Seit 2017 leitet Karen das Urban Independence Magazin. Die leidenschaftliche Pedalistin hat bereits einige (Welt-)Reisekilometer im Radsattel gesammelt. Heute verbindet sie entweder Faltrad plus Kinderanhänger oder Kompakt-Cargobike mit der Bahn in Berlin und Brandenburg - meist mit ihrer Tochter auf Tour. Ihr Zugang zum Fahrrad(fahren) ist vielschichtig-detailverliebt aber stets pragmatisch und reicht in ihre frühen Jugendtage in Österreich zurück.
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