Das urbane Fahrradmagazin

Open Eyes-Mit offenen Augen durch die Welt – Mit dem Rad von Kiel nach Tansania. Teil 1

3.546 Kilometer, circa 28.000 Höhenmeter, 11 Länder, 13 Grenzübergänge und 28 platte Reifen später, haben wir nun die Stadt der zwei Kontinente am Bosporus erreicht: Istanbul. Der erste Teil unserer Reise ist geschafft. Europa liegt nun hinter uns. Wir sind bereit für das nächste Abenteuer: Tansania.

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Foto © Open Eyes 2021

Wie alles begann…

Die Entscheidung von Lennard und Nils Sport auf Lehramt zu studieren, sollte der Grundstein für die weitere Tourplanung sein. Nichts ahnend und vertieft in Anatomie, Trainingslehre und den Kraularmzug kamen die beiden während des üblichen Mensaessens ins Gespräch. Relativ schnell war klar, beide planen nach dem erfolgreichen Bachelorabschluss eine große Reise. Nicht zu Fuß, nicht mit dem Camper, nein. Mit nichts anderem als dem Fahrrad. Zwei Jahre und etliche Prüfungen später, meldete sich Lennard bei Nils, um sich zu erkundigen wie es um seine Pläne mit der Fahrradtour steht.

25. Juni 2021, Zitat Lennard: “Hey Nils. Vor zwei jahren haben wir uns mal in der Mensa unterhalten. Mir ist gerade wieder eingefallen, dass im Raum stand, ne längere Radtour zu machen und damit Spenden zu sammeln… hast du darauf noch Lust?”

Direkt hatten die beiden ein erstes Treffen geplant, welches so vielversprechend war, dass auch Philipp, Lennards Mitbewohner, an der Aktion interessiert und schlussendlich mit im Boot war. Er hatte sogar seinen Job im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung gekündigt, um spätestens Ende September mit auf dem Rad zu sitzen.

Und da vier besser als drei sind, wurde niemand anderes als der Mitbegründer des Kieler Leihladens angefragt einige 1.000 Kilometer zusammen zu bestreiten. Überzeugt und recht kurzfristig war auch Ravn bereit seinen Hiwi-Job, seine geliebte Wohngemeinschaft, Freundin, Familie und sein Studium zurückzulassen.

Bei den etlichen Planungstreffen für die bevorstehende Reise, drehte sich das Vierergespann um Impfungen, Visa-Bestimmungen, Flickzeug, Outdoor-Equipment und die große Frage der Routenplanung. Ganz nach dem Motto: “Wo wollen wir eigentlich hin?” Südostasien? Einmal Europa umrunden? Oder doch eine der ausgewählten NGOs in Malawi besuchen?

Bei allen Fragen pflegte Ravn stehst zu sagen:
“Machen. Es wirklich machen. Das ist die größte Herausforderung.” 

Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania

Start des Open Eyes Radabenteuers in Kiel / Foto © Open Eyes 2021

Wofür das Ganze?

Die Tour soll nicht nur dem Selbstzweck dienen. Wir wollen die Aktion als Fundraising-Kampagne nutzen, um für die gemeinnützigen Projekte „Stiftung Klimawald“, „Mare Liberum“ und das Bildungsprojekt „Face“ Spendengeldern über die Spendenplattform GoFundMe (https://gofund.me/66e5edc5) zu sammeln.

Gerne könnt ihr uns auch während der Reise auf Telegram (https://t.me/openeyes_2021) oder Instagram (https://www.instagram.com/open_eyes_2021) begleiten.

Los Geht‘s

Am 10 Oktober überwinden wir genau diese Herausforderung und machen uns auf den Weg, um mit dem Fahrrad von Oktober bis März die Welt zu entdecken. Nach dem Start in Kiel, fahren wir in Richtung Südosten. Entlang der Elbe und Saale geht es übers Erzgebirge nach Prag. Von dort aus radeln wir über Wien, den Balaton und das Dinarische Gebirge der Balkanstaaten an die lange herbeigesehnte adriatische Küste Kroatiens.

Der Spätherbst und seine frostigen Nächte sind schon ab dem Wendland unser ständiger Begleiter und eine treibende Motivation, möglichst schnell in wärmere Gefilde zu gelangen. So zeigt das Tacho am Ende des Tages in den Höhenlagen Bosnien-Herzegowinas auch mal gute 120 Kilometer und 1500 Höhenmetern an. Am Mittelmeer dürfen wir dann die süßliche Seite des Herbst kennenlernen. Entlang der gesamten adriatischen Küste wachsen an jeder Straßenecke Mandarinen, Granatäpfeln oder Kakis, welche wir lediglich von der Obst- und Gemüsetheke aus dem Supermarkt kennen. Weiter südwärts schlängeln wir uns durch malerische Küstendörfer Kroatiens und Montenegros. Die Bucht von Kotor in Montenegro mit seinen vielen einladenden Küstenpromenaden, umgeben von schroffen Gebirgszügen, bleibt uns als besonderes landschaftliches Highlight in Erinnerung.

Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania
Foto © Open Eyes 2021
Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania
Foto © Open Eyes 2021

Vom Ufer aus kann man Doraden und Meeräschen durch das türkisfarbene Wasser blitzten sehen. Direkt nebenan reihen sich eifrige Angler*innen Reihe an Reihe, um sich ein fischreiches Abendessen zu bescheren. Eine unwirkliche Kulisse, die ein bisschen an einen alpinen Gebirgssee erinnern lässt. Kurz hinter der montenegrisch-albanischen Grenze soll unsere Route überwiegend in Richtung Osten verlaufen. Unser nächstes größeres Ziel ist Albaniens Hauptstadt Tirana. Man kann der Landschaft Albaniens die Zeiten der vergangenen Hoxha-Militärdiktatur, welche erst im Jahr 1990 beendet wurde, ansehen. Zerklüftete Fabrikgebäude und heruntergekommene Eisenbahnstrecken, die einst als Vorzeigeprojekt eines funktionierenden Staates dienen sollten, prägen die Landschaft. Nichtsdestotrotz nehmen wir in diesem Land eine Aufbruchstimmung war. Besonders fällt uns auf, dass viele junge Albaner*innen sehr gutes Englisch sprechen. Auf unserer Route durch dieses dynamische Land werden wir von überaus gastfreundlichen und umtriebigen Menschen an jeder Straßenkreuzung und aus vielen vorbeifahrenden Autos und LKWs freundlich gegrüßt.

Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania
Foto © Open Eyes 2021
Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania
Foto © Open Eyes 2021

Als nächstes Reiseland durchqueren wir Nordmazedonien

In der Nähe des Ohridsees von Nordmazedonien kommt es zu einer wohl nachhaltig im Gedächtnis bleibenden Begegnung. Unverhofft und bereits ein wenig pessimistisch in der angebrochenen Abenddämmerung noch einen passenden Schlafplatz zu finden, suchen wir zwar einen Priester, finden aber einen aufgeschlossen Weinproduzenten. Er läd uns zu einer kleinen mazedonischen Feier ein. Neben eigenem Raki, Wein und Käse, singen wir, begleitet von einer Akustikgitarre, wunderschöne Lieder. Wir tauschen uns über Wertesysteme, internationale Politik und die geschichtsträchtge Vergangenheit Mazedoniens aus.

Ohne auch nur eine Tür abzuschließen, überlässt man uns das Winzerhaus. Genau solche Begegnungen zeigen uns, dass Vertrauen und das Reisen mit „offenen Augen“ für andere Kulturen, uns um viele wertvolle Erfahrungen reicher machen. Nachdem wir ein zweites Mal das dinarische Gebirge durchquerten, liegt die Tiefebene Thessalonikis vor unseren Füßen. Mit Rückenwind und leichtem Tritt radeln wir mühelos nach Thessaloniki, wo wir das Mittelmeer wiedertreffen.

Open Eyes - Mit dem Rad von Kiel nach Tansania

Foto © Open Eyes 2021

Nun sind es nur noch 700 km bis nach Istanbul! Allerdings haben wir das gute Wetter nicht mehr auf unserer Seite und müssen uns mit wenigen Sonnentagen entlang der griechisch-türkischen Küste zufriedengeben. Nichtsdestotrotz kommen wir gut voran und erreichen schon in wenigen Tagen die griechisch-türkische Grenze, die letzte Grenze des europäischen Teils unserer Reise. Die Landschaft wird karger und windiger. Glücklicherweise weht der Wind von hinten!! Mit einem gutem 30 km/h-Schnitt rollen wir in die schier unendliche Stadt Istanbul ein. Die 20 Millionen Einwohner*innen Stadt erschlägt uns. Ein gemischtes Gefühl aus Erleichterung und Vorfreude auf die nächsten Tage unsere Reise überkommt uns. Ein unbeschreiblich schönes Gefühl!

Wir dürfen während der Reise durch die vielen Länder, überall Bekanntschaften mit unglaublich gastfreundlichen und liebenswerten Menschen machen. Letztendlich ist es das Reisen mit dem Fahrrad, welches uns überhaupt die Zeit für die Menschen und Landschaften ermöglicht. Deshalb werden wir auch in den kommenden Monaten auf dem afrikanischen Kontinent uns wieder aufs Fahrrad schwingen.

GoFundMe: https://gofund.me/66e5edc5 

Telegram: https://t.me/openeyes_2021

Instagram: https://www.instagram.com/open_eyes_2021

Autoren: Nils Tolle, Lennard Basenau, Phillipp Düring, Ravn Haid 

Ort/Datum: Istanbul, 04.12.21

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