Papa, hast du auch einen Fahrradhelm?
Ich wusste, dass dies eines Tages kommen würde, trotzdem war ich überrumpelt. Wahrscheinlich hoffte ich, bis dahin noch etwas Zeit zu haben. Aber letzte Woche verwendete meine Tochter, die gerade erst das zarte Alter von zwei Jahren erreichte, das Wort mit H. Ich gab ihr am Morgen wie gewohnt einen Abschiedskuss und sagte, dass ich mit dem Rad zur Arbeit fahren würde. Und dann kam das Wort mit H. „Papa, hast du auch einen Helm?“, fragte sie. Einen kurzen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Denn während sie jedes Mal einen Fahrradhelm trägt, wenn ich sie auf dem Rad mitnehme, trage ich selbst keinen, weder wenn ich sie zur Kindertagesstätte bringe, noch wenn ich zur Arbeit fahre. Ich rettete mich, wie Eltern das oft machen, mit einer Halbwahrheit – dass ich einen Helm trage, wenn ich mit meinem Rennrad fahre.
Warum trage ich keinen Fahrradhelm?
Aber auf dem Weg zur Arbeit dachte ich weiterhin darüber nach, was ich ihr sagen werde, wenn sie etwas älter ist. Warum trage ich keinen Helm und wie kann ich ihr das erklären? Mein Kopf ist ja schließlich nicht sturzsicher. Erwachsene sind sogar verwundbarer als Kinder. Sie haben härtere Schädelknochen mit weniger Dämpfung, fahren schneller und haben einen längeren Fallweg. Ich selbst fahre regelmäßig zur Stoßzeit und verletze täglich ein Dutzend Verkehrsregeln – ich fahre auf Gehsteigen, mache unerlaubte Abschneider und fahre bei Rot noch schnell über die Straße. Ich entkomme regelmäßig nur knapp Unfällen mit anderen Radfahrern, Autos, Fußgängern und vor allem nur mit mir selbst, wenn ich auf Sand, heruntergefallenen Blättern oder Schneeflecken ausrutsche. Ich kenne viele Menschen, die schwere Fahrradunfälle erlitten haben, sogar mit bleibenden Behinderungen als Folge. Warum trage ich also trotz allem keinen Helm? Wäre es nicht logisch, dies zu tun? Es zeigt sich, dass dem nicht so ist.
Ein Helm macht einen nicht sicherer (beim Radfahren)
Ich habe ein wenig recherchiert und war erstaunt, als ich herausfand, dass zunächst einmal die meisten Radfahrer, die in Unfälle mit Autos verwickelt sind, seitlich getroffen werden und/oder in einer Geschwindigkeit, die bei weitem höher ist als jene, für die der Fahrradhelm entworfen wurde. Und bei anderen Unfällen sind es meist die Schultern, Knie und Hüften, die beschädigt werden, nicht der Kopf. Ein Helm hätte meinen Bekannten nicht geschützt, der von einem Auto erfasst wurde, das ein Stoppschild ignorierte und seine Wirbelsäule zertrümmerte. Er hätte auch meiner anderen Bekannten nicht geholfen, die ihr Bein nicht mehr gebrauchen kann, seit sie auf einer vereisten Straße ausgerutscht ist. Außerdem: Wenn ich meinen Kopf vor Verletzungen schützen wollte, wäre ich laut statistischen Daten viel besser dran, wenn ich meinen Fahrradhelm beim Autofahren oder Zufußgehen tragen würde, denn dort sind die Chancen einer Kopfverletzung viel größer als beim Radfahren“
Schlimmer, ein Fahrradhelm macht einen weniger sicher
Was steckt hinter den Forschungsergebnissen, die einen Rückgang an Kopfverletzungen belegen, nachdem eine Helmpflicht für Radfahrer eingeführt wurde? In Wirklichkeit weisen sie eine große Schwachstelle auf, denn sie berücksichtigen den Rückgang der Radfahrer nicht. Schaut man genauer hin, sieht man, dass in Ländern und Regionen, die eine Helmpflicht einführten, die Anzahl an Radfahrern stark einbrach. Während die Anzahl an Kopfverletzungen zurückging, erhöhte sich in Wirklichkeit auf dem Papier die Wahrscheinlichkeit, sich beim Radfahren den Schädel zu zertrümmern! Tatsächlich verringert man die eigene Sicherheit, wenn man einen Helm trägt. Einerseits haben Radfahrer, die einen Fahrradhelm tragen, aufgrund eines falschen Gefühls von Sicherheit einen gefährlicheren Fahrstil und andererseits zeigen Experimente, dass Autofahrer Radfahrer mit Helm in einem viel geringeren Abstand überholen.
Sicherheit in der Masse
Was wir wirklich brauchen, um die Sicherheit von Radfahrern zu erhöhen, sind mehr Radfahrer. Dies nennt man „Sicherheit in der Masse“. Das läuft folgendermaßen: Wenn es viele Radfahrer gibt, sind Autofahrer an sie gewöhnt und passen ihren Fahrstil entsprechend an. Laut OECD bedeutet ein höherer Anteil an Radfahrern automatisch, dass mehr Autofahrer Erfahrung damit haben, Radfahrer zu sein. Sie wissen, „wie die andere Hälfte tickt“ und nehmen mehr Rücksicht auf die Sicherheit von Radfahrern. Und was die Regierungen betrifft: Statt Helmpflichten einzuführen, um die Sicherheit von Radfahrern zu verbessern, sollten sie in die Entwicklung und Erhaltung guter Radwege investieren, die physisch so gut wie möglich vom restlichen Verkehr abgegrenzt sind und regelmäßig gereinigt, repariert und von Eis befreit werden.
Tragen oder nicht tragen?
Es ist durchaus sinnvoll, einen Fahrradhelm bei einem Radrennen oder beim Mountainbiken zu tragen (was ich auch mache) sowie generell als Fahrradkurier. Und vielleicht ist es für ältere Menschen und Kinder ebenfalls empfehlenswert, einen Helm zu tragen (wobei auch das diskutierbar ist). Um meine eigene Sicherheit zu vergrößern, sollte ich vermutlich immer so fahren, als ob meine Tochter hinter mir am Rad sitzen würde – ich fahre nie bei Rot über die Straße, wenn sie dabei ist. Aber was einen Fahrradhelm betrifft, treffe ich unter dem Strich eine weise, vernünftige, wissenschaftlich belegte Entscheidung, keinen Helm zu tragen. Aber wie erkläre ich das einer Zweijährigen?
Weiterführende Informationen:
Fahrradhelme Pro und Kontra – ADFC
Bicycle Research Project Nr. 81 -ECF