Radfahren in Rom – Vier Alltagsszenen rund um ein Leben mit (und ohne) Fahrrad
Radfahren auf und zwischen dem geschichtsträchtigen Gestein von Rom: Mauro, Giovanna, Giorgio und Marco gewähren heitere und nachdenkliche Einblick in ihre ganz persönliche Fahrrad-Realität.
Regel Nr. 1: Alle Verkehrsregeln vergessen
Mauro steht mit seinem Fahrrad mitten auf der Kreuzung. Eine winzige Insel schützt ihn vor dem motorisierten Verkehr. Ich folge zögerlich. “Schau, wenn das Fußgänger-Lichtsignal da drüben auf Grün schaltet, können wir los.” Mauro ist in Rom aufgewachsen, fährt täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und weiß genau, wo die Abkürzungen und direktesten Übergänge sind. Heute bekomme ich eine Einführung ins Radfahren in Rom. Dafür muss ich erst mal alles vergessen, was ich als Kind an Verkehrsregeln gelernt habe.

Eine Radpause mit Mauro in der Villa Pamphilli – dem größten Park Roms © Doro Staub
Unser Ziel, die Villa Pamphili, erreichen wir rasch und unbeschadet. Schier endlos viele Wege führen durch den größten Park Roms: über weite Wiesen, Pinien-Wälder, an Bächlein entlang. “Du solltest dir eine dicke Kette zum Abschließen deines Fahrrads zulegen.”, sagt Mauro, als wir in der Park-Bar einen Kaffee nehmen. “Dein kleines Schloss knacken sie in zehn Sekunden. In Rom ist kein Fahrrad sicher.”
„Dein kleines Schloss knacken sie in zehn Sekunden.
In Rom ist kein Fahrrad sicher.” MAURO
Die Wiedergeburt des Fahrrads in Rom
Marco ist ebenfalls ein routinierter Radfahrer in Rom. Er ist Lehrer und Vizepräsident der römischen Sektion der FIAB, dem italienischen Fahrrad-Verband und fährt täglich 45 Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit. Marco freut sich, dass das Fahrrad im Alltag wieder sichtbarer wird: „Bis vor etwa fünf Jahren war es fast ganz aus der Stadt verschwunden. Offenbar haben jetzt einige Römer und Römerinnen verstanden, dass sie mit dem Fahrrad erstens für kurze Strecken schneller sind als mit dem Auto, zweitens etwas für ihre Gesundheit tun und drittens auch einen Beitrag leisten können, um die Stadt vor dem totalen Kollaps zu bewahren.”
„Bis vor etwa fünf Jahren war es (Anm: das Fahrrad)
fast ganz aus der Stadt verschwunden.” MARCO

Giorgio und Mauro sind ebenfalls befreundet und teilen eine Leidenschaft: Das Fahrradfahren. Foto © Doro Staub
Wiedersehen bei den alten Römern
Das Wiedersehen mit Giorgio ist eine Freude. Ihn und Mauro hatte ich ein Jahr zuvor kennengelernt, als sie mit dem Fahrrad von Rom nach Ravenna unterwegs waren, um Giorgios Sohn zu besuchen. Heute zeigt mir Giorgio zwei ungewöhnliche Fahrrad-Ziele, die sich gleich vor seiner Haustür befinden, weit im Südosten von Rom.
Zuerst zum Park der Aquädukte. Hier durchqueren antike Aquädukte einen großzügigen Park. Über kleine Bäche, unter dem Aquädukt hindurch, kurven wir um Joggende und Hunde. Giorgio staunt über ein Stück freigelegter alter Römerstraße. “Das haben sie offenbar neu gefunden, vor einem Monat war hier noch Wiese.”
Auf der Via Appia Antica hingegen ist nichts neu. Diese alte Römerstraße verband ursprünglich Rom mit Brindisi in Apulien. Heute lässt sie sich vom Zentrum Roms über 18 Kilometer nach Süden befahren. Holprig ist die Fahrt über das alte Gestein. Wir ruckeln vorbei an Gräbern, Kirchen, Denkmälern, Villen und allerlei Ruinen. Die Via Appia Antica wird auch als das längste Museum der Welt beworben.

Radfahren entlang der Via Appia Antica mit römischen Freu(n)den. Foto © Doro Staub
Giorgio staunt über ein Stück freigelegter alter Römerstraße. “Das haben sie offenbar neu gefunden, vor einem Monat war hier noch Wiese.”
Zwischen Fahrradsehnsucht und Fahrradklau
Giovanna blickt sehnsüchtig auf mein Fahrrad. “Ich würde so gern mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Ich hätte sogar einen hübschen Weg dem Tiberufer entlang.” Warum sie es nicht tut? Weil es in ihrem Wohnblock keine Möglichkeit gibt, ein Rad sicher abzustellen, weder einen Innenhof noch einen Keller. “Ich würde das Fahrrad in die Wohnung nehmen, aber der Lift ist zu klein und das Treppenhaus zu eng.” Und Giovannas Wohnung winzig. Wo hier noch ein Fahrrad Platz hätte, ist mir ein Rätsel. Auf die Frage, ob sie es nicht einfach draußen an einem Pfahl anketten könnte, schaut sie mich entgeistert an. “Draußen? Dann bin ich es innerhalb von einem Tag los.”
Giovanna wünscht sich sehnlichst mit dem Rad durch Rom zu fahren. Warum sie es nicht tut? Sie hat keinen Platz ihr „Bici“ irgendwo sicher abzustellen!

Foto © Nathan McBride
Ein Verlust
Den Beweis dafür liefert mir eine Woche später Mauro. Er begrüßt mich mit den Worten “Wir haben einen Verlust zu beklagen.” Sein Fahrrad wurde am Tag zuvor gestohlen. Es war angekettet – im abgeschlossenen Innenhof seines Wohnhauses. Geblieben ist ihm die geknackte Kette. Er hat es mir ja gesagt: In Rom ist kein Fahrrad sicher.