Die Renaissance des Cargobikes #1: Warum boomt das Rad? Eine Einnordung des Trends.
Bike Citizens schaffen in der dreiteiligen Serie den Überblick über das Trendthema Cargobike: Faktencheck und Infopool rund um Modelle, Kaufprämien und Finanzierung sowie Leihräder, Infrastruktur und Fahrradparken. Ein Gespräch mit dem Experten, für alle die ihr Rad als Transportmittel nutzen (möchten)!
Colin Pöstgens, Cargobike-Experte, steht Bike Citizens Rede und Antwort rund ums Trendthema. Am Ende jedes Gesprächs gibt es für die eigene Recherche eine Sammlung der wichtigsten Links und weiterführenden Artikel. Die drei Teile im Überblick:
#1: Warum boomt das Rad? Eine Einnordung des Trends.
#2: Cargobike-Fibel und Typenkunde: Welches Rad für wen und welchen Zweck?
#3: Finanzierung und moderne Städte: Was hat „Nutzen statt Besitzen“ mit der Verkehrswende zu tun?
Die Renaissance des Cargobikes #1: Warum boomt das Rad?
Eine Einnordung des Trends.
Bike Citizens (BC): Cargobikes auf dem Vormarsch! In Dänemark besitzt im urbanen Raum jede 3. Familie einTransportrad. Das brandaktuelle Buch Car Go Bike Boom skizziert die un-stoppbare Mobilitätswende, vorangetrieben durchs Cargobike. Und in Deutschland nutzen 15% der Radfahrer ihr Rad als Transportmittel, davon haben etwa 1% ein Cargobike, so das Fairkehr Magazin des VCD. Colin, was sagst du dazu?
Colin Pöstgens (CP): Cargobikes sind definitiv Trend. Nein, mehr als das. Cargobikes sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie haben ihr Image als urbanes Statussymbol ökologisch bewusster Bürgerinnen und Bürger abgelegt und sind aus dem Alltag nicht mehr weg zu denken. Ein Beispiel: Die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr kündigt an, dass die Flotte des Hamburger Fahrrad-Verleihsystems StadtRAD 2019 um 20 E-Lastenräder aufgestockt wird. Perspektivisch soll die Flotte auf 70 E-Lastenräder wachsen, sagt die Behörde. StadtRAD ist eine Kooperation mit DB Rent, sprich: Da steckt die Deutsche Bahn mit drin – beispielhaft für Städte, Länder und Mobilitätsdienstleister!

Unternehmen satteln um aufs Cargobike © Harry vs. Larry
BC: Familien verzichten auf den Zweitwagen und fahren lieber Cargobike. Postboten, Liefer- und Kurierdienste tauschen LKW-Flotten gegen Transporträder. Das „mobile“ Stadtbild wandelt sich. Was sagt die Branche?
CP: Der ZIV (Anm. Bike Citizens: Zweirad-Industrie-Verband und wichtigste nationale Interessenvertretung bzw. Dienstleister der Fahrradbranche) bestätigt die Prognose wenn er sagt, „dass das Thema Lasten- und Transportfahrräder (…) weiter an Bedeutung“ gewinnt. Offizielle Zahlen gibt keine. Cargobikes werden in der Statistik des ZIV leider noch nicht gesondert behandelt. Ebenso hat die EUROBIKE (Anm. Bike Citizens: Weltleitmesse Fahrrad in Friedrichshafen) 2018 eine eigene „Cargo Area“ eingerichtet. Ich sehe darin eine Bestätigung.

Cargobike statt Zweitwagen für Familien © Cargobike Roadshow
BC: Was hat das Cargobike wirklich salonfähig gemacht – neben bekannten Gründen Umweltbewusstsein, Dieselskandal und medialer Präsenz?
CP: Super Anreiz mit super Wirkung: Kaufprämien! Mein Kollege Arne Behrensen von cargobike.jetzt hat alle Kaufprämien hier zusammengetragen – er hält die Liste ständig aktuell! Ebenso wird die Entwicklung vielerorts durch (kostenlose) Leih-Angebote vorangetrieben. Der Begriff „Freie-Lastenräder“ ist mittlerweile fast allen bekannt und es gibt eine Online-Liste aktuell bestehende Initiativen für Freie-Lastenräder. So findet man einfach ein kostenloses Leih-Cargobike in der Nähe. Dann etabliert sich natürlich das Fahrradleasing immer mehr. Das Cargobike ist Dienstrad (Bike Citizens berichteten hier) und ersetzt das Dienstauto.

Das Projekt „Ich entlaste Städte“ sucht aktuell Cargobike-Testpiloten © DLR
BC: Bis 2030 ließen sich ein Viertel aller Fahrten im Wirtschaftsverkehr aufs Fahrrad verlagern, so der DLR (Anm.: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt). Was macht das Cargobike für Unternehmen und Gewerbe attraktiv – neben Geschwindigkeit, Parkplatzsuche und im Vergleich zum Auto geringen Kosten?
CP: Monetäre Anreize! Im März 2018 wurde die Kleinserien-Richtlinie des Bundesumweltministeriums verabschiedet. Die besagt, dass es für gewerbliche Schwerlasträder einen Zuschuss von 30 Prozent bis maximal 2500 Euro gibt. (Anm. Bike Citizens: Ein Schwerlastrad ist ein Cargobike das mehr als 150 kg / mehr als 1QM Volumen befördert). Angekündigt wurde die Förderung am Dieselgipfel 2017. Und natürlich haben die zahlreichen bundesgeförderten Projekte wie „Ich entlaste Städte“, „Velogut“ und „KoMoDo“ überregionale Strahlkraft. Zum Schluss: Aktuelle politische Bekundungen haben das Interesse von großen Akteuren der KEP-Branche (Anm. Bike Citizens: Kurier-Express-Paket-Dienste) und Unternehmen geweckt, sich mit dem Thema Cargobike zu beschäftigen. Wir befinden uns also mitten drin – in der Mobilitätswende!
BC: Danke Dir für den ersten Ein- und Überblick. Gehen wir jetzt zu Teil #2 und schauen uns die Cargobikes mal genauer an.
Links
- Kaufprämien für privat und gewerblich >> Liste
- „Freier Lastenräder“ Liste von Lastenrad.de >> Liste
- Cargobike.jetzt – Der Infopool und Blog rund ums Cargobike >> Link
- Cargobike Roadshow >> Link
Mehr zum Thema „Cargobike“ im Urban Independence Magazin der Bike Citzens:
- Renaissance des Cargobikes #2: Cargobike-Fibel und Typenkunde
- #3: coming soon!
- Bike Citizens Faktencheck: Radreise mit Baby und Cargobike
- 2018: Berliner Senat verkündet 200.000 Euro Förderung für Lastenräder
- 2018: Die FahrBar. Ein Lastenrad erfrischt Graz
- 2017: Wien fördert privaten Lastenradkauf
- 2016: Das Lastenrad verändert das Gesicht der Stadt
- 2016: Moderne Familien und ihre logistischen Herausforderungen
Über den Experten
Colin Pöstgens ist gebürtiger Münsterländer, passionierter Radfahrer und Bachelor of Science Raumplanung. Mit seinen Kollegen Wasilis von Rauch (Bundesvorstand VCD) und Arne Behrensen (cargobike.jetzt) organisiert er seit 2015 die Cargobike Roadshow. Diese bringt rund zwölf unterschiedliche Lastenrad-Modelle zum Testen in sieben Städte bzw. Regionen, wo das Angebot heute noch recht dünn ist. Daneben engagiert ersich seit Jahren in Bürgerinitiativen, gemeinnützigen Vereinen sowie beruflich für den Radverkehr. Foto © Katja Täubert