Unendliche Weiten unberührte Natur- Radreisen in Norwegen
Und dann hieß es wieder mal: „Weniger ist mehr“! Das Gepäck für die Radreise von Tromsø bis Å war auf ein Minimum reduziert und in zwei kleinen Packtaschen (Lenker-, und Satteltasche) verstaut. Da wir als „Team light and fast“ mit zwei Rennrädern unterwegs sein und in kurzer Zeit möglichst viel sehen wollten, blieb kein Platz für mehr Gepäck. Was bisher kein Thema war, machte mich diesmal doch etwas nervöser, zumal die Wetterlage in Nordnorwegen nach häufigem Inspizieren der Webcams und Wetterberichte als unberechenbar erschien. Von Sommeroutfit bis Skitourenbekleidung musste daher alles mit.
Die Planungsphase war diesmal auch intensiver und die Etappenlängen durch vorab gebuchte Unterkünfte vorgegeben. Das Land ist dünn besiedelt, doch mit einem ausgewählten Mix aus Airbnb, Appartements und Hotels konnte ich die rund 500 Kilometer gut auf 5 Tage aufteilen.
Dann war es endlich soweit! Wir waren am Startpunkt in Tromsø angelangt. Vorerst noch ohne Bikes, denn die wurden am nächsten Tag bei „Tromsø outdoor“ ausgeliehen. Bereits am ersten Tag fiel mir die extreme Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der NorwegerInnen auf. Während unseres Sightseeingnachmittags durften wir unsere Packtaschen in einem Lokal am Hafen zwischenlagern. Die Lebensgeschichte des Kellners, der einst von Frankreich mit dem Rad bis nach Tromsø fuhr und dort nach zwei Jahren Bikepacking ansäßig wurde war ebenso beeindruckend wie der Preis unseres abendlichen Bieres. Auch im Appartement lernten wir zwei junge deutsche Bikepacker kennen, die von Hamburg zum Nordkapp radeln wollten. Gespannt hörte ich den bisherigen Erlebnissen von Tobi und Basti zu und war bereits voller Vorfreude auf unsere Tour.

Das Gepäck
Tag 1: Tromsö- Sommaroy: 75km- 600hm, Troms
8 Uhr morgens. Ein erster Blick aus dem Fenster- es regnet in Strömen. Und jetzt? Die zwei deutschen Bikepacker zeigen uns die Wetterapp YR und empfehlen, eher Nachmittagstouren zu machen und in den Abendstunden zu radeln, da hier tendenziell mehr Chancen auf Sonnenschein bestehen.
Wir holen gemütlich unsere Rennräder ab, frühstücken ein zweites Mal, plaudern noch ein bisschen und machen uns langsam abfahrbereit, denn das Wetter besserte sich tatsächlich.
Auf den ersten Kilometern ist es zwar noch etwas trüb, doch das schmälert meine Begeisterung in keinster Weise, denn wir fahren auf einer gut asphaltierten, verkehrsarmen Straße, genießen ständigen Meer-, und Bergblick bei angenehmen nordischen Temperaturen um die 12-15 Grad.
Als dann nach einiger Zeit sogar Sonnenschein zum Vorschein kommt, schwebe ich im 7. Radfahrerhimmel. Nun ja, schweben trifft es nicht ganz, denn wir haben heftigen Gegenwind!
So sehen wir immerhin länger was von der paradiesischen Landschaft bevor wir dann am ersten Etappenziel, in Sommaroy, ankommen. Wir verstauen unsere Räder im Hotel und machen noch einen kurzen Hike. Die atemberaubende Aussicht auf das kleine Dorf, das türkise Meer und die abendliche Sonne kosten mich bereits die erste Freudenträne.
Ich hätte noch stundenlang hier sitzen können, doch irgendwann muss auch geschlafen werden (Anm: bei Tageslicht rund um die Uhr kann man das ziemlich leicht vergessen), denn der nächste Radtag wartet bereits.
Tag 2: Botnhamn- Gryllefjord: 97km- 1100hm, Senja
Nach dem exzellenten Frühstück und einer kurzen Fahrt mit der Fähre startet Etappe 2 in Botnhamn auf der Insel Senja. Die Fähren sind übrigens für RadfahrerInnen kostenlos und immer pünktlich. Den Fährenplan entnahmen wir der Website rome2rio, was wirklich super funktioniert hat.
Das Wetter ist heute voll und ganz auf unserer Seite und die zweitgrößte Insel Norwegens präsentiert sich mit endlos langen Straßen, die sich zwischen Bergen ums Meer schlängeln und jeder Menge unberührter Natur. Idylle pur. Der obligatorische Pausenkaffee fällt hier aber aus, denn auf unserer Route gibt es weder Cafeés noch Supermärkte. Zum Glück hab ich vorgesorgt und hole zur Freude meines Begleiters eine Zimtschnecke aus der Trikottasche. Die wenigen Autos nehmen hier wirklich Rücksicht auf RadfahrerInnen und im einzigen Tunnel des Tages gibt es sogar ein eigenes „Radfahrer im Tunnel“ Signal. Norwegen, ich bin begeistert!
In Gryllefjord, unserem heutigen Endpunkt, angekommen, ziehen die ersten Wolken auf und wir beschließen die frühere Fähre zu nehmen und die geplante Wanderung nicht mehr zu machen. Knapp zwei Stunden später befinden wir uns in Andenes, dem Ausgangspunkt der dritten Etappe und genießen den Abend in einem weiteren idyllischen Örtchen. Wäsche waschen, kochen und vorbereiten für Tag 3.
Tag 3: Andenes- Stokmaknes: 135km -700hm, Vesterdalen
Die Wetterprognose war mies, doch mein grenzenloser Optimismus glaubte bis zum Morgen nicht an Schlechtwetter. Als es um 10 Uhr tatsächlich aufhört zu regnen, starten wir gleich los, denn der Tag sollte mit 135 km der zweitlängste unserer geplanten Tour sein. Die Hoffnung, dass sich der dichte Nebel lichtet und wir die wunderschöne Landschaft der Insel Andoya zu Gesicht bekommen, bleibt bis zuletzt umsonst. Stattdessen hat uns der Regen ab Minute 5 fest im Griff und wir versuchen alles mit Humor zu sehen.
Konstanter Gegenwind und Regen bringen mich in einen tranceähnlichen Zustand. Nur schade, dass ich die vermutlich wunderschöne Gegend kaum sehen kann. Klatschnass und hungrig (Anm. wir hatten in unserer Euphorie, dass es eine Regenpause gab, bei der Abfahrt unsere Tagesverpflegung vergessen. Da außerdem Sonntag war, hatte selbst die einzige Tankstelle geschlossen) kommen wir abends bei unseren Hosts an. Die Herzlichkeit und der Kuchen von Aleksandra und Paul lassen uns die Strapazen des Tages vergessen. Einer der Momente, in dem ich heilfroh bin, dass wir uns gegen Camping entschieden haben, denn die Schuhe für den nächsten Tag trocknen zu können, erschien mir als der größte Luxus des gesamten Urlaubs.
Da die Wetterapp YR für den kommenden Tag ähnliches Wetter voraussagt und unsere Motivation für einen weiteren Regentag (diesmal sogar mit 145km Etappenlänge) enden wollend ist, beschließe ich kurzerhand, die Unterkunft umzubuchen und die bevorstehende Etappe zu verkürzen. Safety first.

Es gibt kein schlechtes Wetter zum Radfahren, nur schlechtes Gewand
Tag 4: Stokmaknes- Valberg: 105km – 800hm, Lofoten
Heute geht es endlich auf die Lofoten. Die Freude ist groß, wird jedoch beim Blick aus dem Fenster wieder etwas getrübt. Regen. Regen. Regen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit norwegischen Pancakes, karamellisiertem Ziegenkäse und bester Gesellschaft, meint es der Wettergott gut mit uns und wir können im Trockenen starten. Noch nicht ganz. Zuerst muss noch der Schlauch gewechselt werden. Anscheinend war gestern nicht nur bei uns die Luft heraußen. Plötzlich werden die 15 Kilometer zur nächsten Fähre von Melbu nach Fiskebol ganz schön stressig.
Endlich auf den Lofoten angekommen, erfreut uns nicht nur unglaublich schöner Landschaft, sondern sogar Sonnenschein. Da es nur eine durchgehende Straße auf den Lofoten gibt, ist hier plötzlich merklich mehr Verkehr als die Tage zuvor. Zusätzlich ist die Inselgruppe deutlich bekannter und somit touristischer. Der Gegenwind ist auch hier, wie bereits die Tage zuvor, unser ständiger Begleiter. Da wir immer Richtung Westen fahren und der Wind vom offenen Meer kommt, wird sich das wohl bis zum Schluss nicht mehr ändern. Macht ja nichts, wir haben schließlich keinen Stress. Bald kommen wir in Svolvaer, der Hauptstadt der Lofoten, an. Dort lassen wir von freundlichen Intersportmitarbeitern unsere Fahrradketten ölen. Diese hat der gestrige Tag nämlich ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Mit geölten Ketten und Zimtschnecken im Bauch radelt es sich gleich viel leichter. Voller Begeisterung fahren wir die endlosen Straßen entlang, betrachten die atemberaubende Kulisse, die weißen Strände und die kräftigen Farben.
Nach einer Brückenüberquerung dürfen wir dann von der Hauptstraße abfahren und nehmen die Südvariante, da sich hier unsere heutige Unterkunft, ein typisch norwegisches Rorbuer, befindet. Vorausdenkend wie wir mittlerweile geworden sind, haben wir beim letzten Supermarkt unser Abendessen gekauft. Im Umkreis von einigen Kilometern gibt es nämlich keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Was in unseren Breitengraden als eher untypisch gilt, ist hier in Norwegen ganz normal.
Tag 5: Valberg- Å: 85 km 850hm, Lofoten
Nach einem gemütlichen Abend und einem kurzen Hike am Morgen rollen wir am nächsten Tag zum Frühstück in das 20 Kilometer entfernte Leknes.
Nun sind wir gestärkt und bereit für den berüchtigten Unterwassertunnel, in dem es zuerst lang bergab und danach steil bergauf geht. Nach dieser interessanten Erfahrung dürfen wir wieder viel wunderbare Landschaft genießen, bevor wir schließlich zum westlichen Teil der Lofoten, den Touristenklassikern und Postkartenmotiven kommen. Ich bin total geflashed von der Schönheit dieses Landes.
Am späteren Nachmittag ist es dann soweit und wir befinden uns in Å, einem kleinen Fischerdorf am Ende der Europastraße, dem Ziel unserer 5 tägigen Radreise. Für mich fühlte es sich ein bisschen nach „einmal bis zum Ende der Welt radeln“ an. Da darf auf der Ortstafel unser „Bike Citizens“ Sticker natürlich nicht fehlen.
Am nächsten Morgen geht es bei Sturm und strömendem Regen 5 Kilometer zurück nach Moskenes zur Fähre, die uns nach Bodø bringt, wo wir die beiden Leihräder an Norlines Hurtigruten übergeben dürfen. Ein super Service. Wir waren begeistert!
Mein persönliches Fazit:
Der Zeitfaktor: Ich war mir dessen zwar schon im Vorhinein bewusst, aber eine Woche ist für ein Land wie Norwegen definitiv viel zu kurz. Um trotzdem möglichst viel zu sehen, waren die Lofoten aber dennoch eine super Wahl. Für norwegische Verhältnisse sind hier kurze Distanzen und abwechslungsreiche Landschaftsbilder vorzufinden.
Ich komme wieder und nehme dann etwas mehr Zeit mit im Gepäck.
Das Equipment:
Das Buchen von Unterkünften im Vorhinein schränkt zwar in der Flexibiltät vor Ort ein bisschen ein, hatte aber für mich mehr Vor-, als Nachteile. Zum einen hatten wir fixe Tagesetappenziele vor Augen, was speziell am Regentag Motivation gab, zum anderen immer die Möglichkeit zu kochen, Kleidung zu waschen oder zumindest zu trocknen. Und zu guter Letzt der alles entscheidende Gewichtsfaktor. Wir mussten keine Zusatzpacktasche für ein Zelt mitnehmen und konnten daher mit dem Rennrad unterwegs sein.
Bei einer längeren Radreise würde ich mich vor allem aus Kostengründen aber für Camping entscheiden. Da in Norwegen das Jedermannsrecht gilt, kann man ohne Bedenken, nahezu überall sein Zelt aufstellen. Materialtechnisch waren wir für diese Reise sicher optimal gerüstet.
Meine Packliste:
Radschuhe, Wanderschuhe, wasserdichte Hardshelljacke, Windjacke, Warmer Sweater, Kurzes Radtrikot, Radhose, Zehenwärmer, Handschuhe, Radhelm, Radbrille, Multifunktionstuch, Leggings und Shirt, Sportunterwäsche, kurze Sporthose, kurzes Sportshirt, langes Sportshirt, Socken, Primaloftweste, Fahrradschloss, Reisepass, Toilettsachen, Carryyygum (https://carryyygum.com), Lichter fürs Fahrrad, Ladekabel fürs Handy und natürlich unseren Finn (https://getfinn.com)
Das Wetter:
Unvorhersehbar. Sonst gibt es hier eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Das Wetter kann im Sommer zwischen 8 Grad, Regen und Sturm und 25 Grad mit Sonnenschein variieren. Auch kurzfristige Wetterprognosen sind eher unzuverlässig. Am besten aus dem Fenster sehen und selbst ein Bild machen 😉
Wir waren aber für alle Bedingungen gut gerüstet und ich fuhr mal mit Kurzarmtrikot und mal mit Hardshelljacke. Mein persönlicher Tipp: Genieße den Sonnenschein, denn hinter der nächste Kurve kann alles anders sein.
Die Landschaft:
Ein landschaftliches Paradies. Hohe felsige Berge, die aus dem Meer ragen, kräftige Farbkombinationen, glasklares türkises Meer und grüne Wiesen. Zwischen unberührten Naturlandschaften schlängeln sich wenige, dafür super asphaltierte Straßen an deren Rändern vereinzelte Holzhäuser in bunten Farben vorzufinden sind.
Die Einheimischen:
Die Bevölkerungsdichte ist sehr gering. (Anm: 14 EW/km². Im Vgl. zu Österreich: 107 EW/km²) Es herrscht wenig Verkehr und nirgendwo Stress. Kein einziger Autofahrer hat gehupt oder knapp überholt. Die Einheimischen sind stets freundlich, mitdenkend und bieten von sich aus gerne ihre Hilfe an. Ein Ort zum Wohlfühlen 🙂