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Warmshowers: Unterkunftsuche auf Radreise nach „Couchsurfing“-Prinzip

Wer ausgiebige Touren mit dem Fahrrad unternimmt, kennt es gut: Nach einem langen Tag im Sattel freut man sich auf eine heiße Dusche und einen entspannten Schlafplatz. Leider ist beides auf Radreise gar nicht so einfach und kostengünstig zu bekommen. Aber es gibt warmshowers!

Juliane Schuhmacher
1987 in Berlin geboren, radelt sie seit Jahren durch die deutsche Hauptstadt und über deren Grenzen hinaus. Mit chronischem Fernweh, lässt sie sich keine Gelegenheit entgehen, unterwegs zu sein. Auf dem Blog radelmaedchen.de schreibt sie nicht nur über die Erlebnisse einer Großstadtradlerin und ihre Reisen, sondern auch über Fahrradbekleidung. Das Thema ihrer Masterarbeit im Modesdesign: Radelmädchen – Urbane Mode für Frauen mit und ohne Fahrrad.

Nicht immer möchten Radreisende nach einer langen und anstrengenden Tagestour das Zelt aufschlagen. Ein Campingplatz ist nicht immer in der Nähe. Wild Campen ist in vielen europäischen Ländern nicht erlaubt. Bleibt dann oft nur mehr Hotel, Hostel oder Privatzimmer… Oder: Warmshowers!

Warmshowers: Couchsurfing für Radreisende
Wer eine Unterkunft sucht und soziale Kontakte pflegen möchte, sollte sich einmal das Netzwerk warmshowers.org anschauen. Es ist eine weltweit nutzbare, kostenfreie Möglichkeit für Radreisende die Gastfreundschaft anderer in Anspruch zu nehmen. Das ist eine feine Möglichkeit um Land und Leute besser kennenzulernen. Mit etwas Glück trifft man nicht nur freundliche Hosts, sondern erhält auch praktische Insider-Tipps!

warmshowers

warmshowers

Foto und Grafik © warmshowers.org

Von Radreisenden für Radreisende
Die 1993 gegründete Gemeinschaft erinnert an das Couchsurfing-Prinzip. Ein Gastgeber kann zum Beispiel seine Couch, ein freies Zimmer oder auch einfach seinen Garten als Zeltplatz zur Verfügung stellen. Warmshowers ist dabei speziell für Radreisende ausgelegt. Der Vorteil ist, dass viele Hosts selbst schon mit dem Rad auf Reisen waren. Dadurch verstehen sie oft die Bedürfnisse ihrer Gäste sehr gut.

Mit fast 150.000 Mitgliedern, wovon etwa 90.000 auch Gastgeber sind, finden sich in vielen Ländern der Welt Unterkünfte. Die meisten gibt es in Europa und Nordamerika. Die Website lässt sich in 17 verschiedenen Sprachen in 161 Ländern der Welt nutzen.

 

Wie man eine Unterkunft findet und „bucht“

  • Registrieren: Radreisende und Hosts melden sich auf dem Online-Portal an und erstellen dort ein Profil.. Mit Hilfe einer interaktiven Karte kann der Radreisende während seiner Reise dann passende Hosts suchen. Es besteht die Möglichkeit, diese in einer Datei zu speichern und offline mit sich zu führen, falls der Internetzugriff unterwegs eingeschränkt ist. Außerdem gibt es eine App.
  • Kontaktieren: Hat der Radreisende einen passenden Gastgeber für sich ausgesucht, kann dieser über die App oder per Mail kontaktiert werden.
  • Empfehlen und Bewerten: Später ist es möglich, den Host zu bewerten. Das macht es vor allem für Andere leichter, einen Übernachtungsort zu finden, der wirklich zu einem passt – denn jeder und jede auf Radreise hat ja andere Bedürfnisse…

Kostenfrei? Nicht ganz.
Auch wenn die Plattform damit wirbt, dass die Übernachtungen keine Kosten für den Gast mit sich bringen, ist zumindest das Internetportal von warmshowers auf Spenden angewiesen. Diese werden höflich bei den Mitgliedern erbeten. Spenden ist keine Bedingung, um das Netzwerk zu nutzen.

Interview: Wunderbare Erfahrungen mit dem Netzwerk
Paul und Julian von bike2climb nutzen warmshowers auf ihren Radreisen. Aktuell sind sie auf einer Tour durch den Osten Europas in Rumänien und verbinden das Radfahren mit Klettern. Julian war bereit ein paar Fragen zu ihren Erfahrungen mit warmshowers zu beantworten.

bike2climb Radfahren und Klettern Radreise

Ihr Slogan auf Englisch: „How to „really“ climb a Mountain? Get on the bike; cycle there; climb it; cycle on!“ Foto © Bike2Climb

Seit wann nutzt ihr warmshowers.org und warum?
Julian: Seit 2011. Ich begann eine längere Radreise in Nord- und Südamerika und wurde auf warmshowers aufmerksam. Meine erste Übernachtung in den USA war dann auch bei einem warmshowers-Gastgeber. Seitdem nutze ich warmshowers als Gast und Gastgeber!

Wie findet ihr Hosts die zu euch passen? Wie entscheidet ihr, wen ihr anfragt?
Julian: In ländlicheren Regionen gibt es oft nur wenige Gastgeber, sodass die Auswahl leicht fällt. Wenn es in Regionen viele gibt, sehe ich nach, ob die Person in letzter Zeit aktiv war, was im Profil steht und welche Rückmeldungen es von anderen Gästen gibt.

Hattet ihr auch schon negative Erlebnisse?
Julian: Nein. Keine.

Was war das tollste Erlebnis?
Julian: Alle – Hosts wie Reisende – sind auf ihre Art und Weise besonders. Man erlebt immer Momente, an die man sich erinnert. Am besten erinnere ich mich an meinen ersten Gastgeber in Salt Lake City / Utah. Er holte mich vom Flughafen ab. Dafür war er eine Stunde hin und und eine wieder zurück unterwegs. Nur für irgendeinen Kerl – mich – der ihn ein paar Tage zuvor kontaktiert hat.

Würdest du warmshowers weiterempfehlen?
Julian: Ja. Aber nicht allen. Man braucht ein gewisses Gespür und eine bestimmte Einstellung – dann ja!

Die deutsche Version: Der ADFC-Dachgeber
Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der ADFC-Dachgeber. Die Hosts werden dort in einem Verzeichnis erfasst, welches als Printversion an die Mitglieder versendet wird. Allerdings zahlt man dort eine Anmeldegebühr von einmalig 3 Euro und eine jährliche Schutzgebühr von 15 Euro für das gedruckte Verzeichnis. Für ADFC-Mitglieder fallen die Kosten niedriger aus und liegen bei 10 Euro für das Verzeichnis.

Die Mitgliedschaft beruht auch beim Dachgeber auf dem Gegenseitigkeitsprinzip: Das heißt, wer die Gastfreundschaft anderer nutzt, soll sie selbst auch anbieten. Sie gilt für Radfahrende, aber teilweise auch für Reisende die zu Fuß oder mit der Bahn unterwegs sind. Der Dachgeber ist größtenteils auf den deutschen Raum begrenzt.

Fazit
Warmshowers ist ein weltweites Netzwerk, welches tausende Radreisende miteinander verbindet.  Es lässt sich in den entferntesten Winkeln der Erde nutzen und ist vergleichbar mit Couchsurfing – aber speziell von und für Radreisende! Für Weitreisende ist es eine tolle Option, Land und Leute kennenzulernen und mit geringem Kostenaufwand unterwegs zu sein. Die Seite verfügt in der englischen Version über ein Forum mit vielen Details und Hintergrundinformationen zum Radreisen. Außerdem gibt es eine aktive Facebookgruppe.

Im Vergleich dazu ist der ADFC-Dachgeber nicht so gut aufgestellt. Für Deutschlandreisende ist es eine gute Option, eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Jedoch sind „Kosten und Papier“ etwas einschränkend. Mangels Online-Bewertungsoption gibt es leider keine Möglichkeit, die Gastgeberqualitäten vorher einzuschätzen und den Host nach den eigenen Bedürfnissen auszuwählen.

Mehr lesen!

Graz-Tokyo Teil #4: Faktencheck Reiserad, Ausstattung und Gepäck

https://magazine.bikecitizens.net/de/author/elias-und-fabio/

Juliane Schuhmacher
1987 in Berlin geboren, radelt sie seit Jahren durch die deutsche Hauptstadt und über deren Grenzen hinaus. Mit chronischem Fernweh, lässt sie sich keine Gelegenheit entgehen, unterwegs zu sein. Auf dem Blog radelmaedchen.de schreibt sie nicht nur über die Erlebnisse einer Großstadtradlerin und ihre Reisen, sondern auch über Fahrradbekleidung. Das Thema ihrer Masterarbeit im Modesdesign: Radelmädchen – Urbane Mode für Frauen mit und ohne Fahrrad.
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