Wohin mit dem Lastenrad?
Lastenräder sind praktisch. Wenn sie nur nicht so sperrig wären. Die Zahl der Transporträder steigt stetig. Im öffentlichen Raum fehlen für sie oft ausgewiesene Stellplätze. Städte arbeiten daran, das zu ändern.
Ann-Kathrin Schneider braucht kein Auto. Seit acht Jahren nutzt die Bundesgeschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Berlin ein Lastenrad für all ihre Wege mit schwerem oder sperrigem Gepäck. Sie findet das praktisch. Was sie stört, sind die fehlenden Parkmöglichkeiten für ihr geräumiges Dreirad. Oft bleibt ihr zum Abstellen nur der Fußweg. Das Fahrradparken ist dort zwar erlaubt, aber für sie keine Lösung. „Der Gehweg gehört schließlich den Fußgängern“, sagt Schneider.
Laut Straßenverkehrsordnung darf sie ihr Transportrad zwar auch auf kostenpflichtigen Parkplätzen abstellen, aber das tut sie nicht. „Ich hätte Angst, dass das Rad auf der Straße demoliert wird“, sagt die Bundesgeschäftsführerin des Fahrradverbands. Sie fordert: Städte müssen dringend Stellplätze zum Kurz- und Langzeitparken von Cargobikes schaffen.
Tatsächlich wird der Bedarf laufend größer. 103.200 Transporträder wurden laut Zweirad-Industrieverband allein im Jahr 2020 verkauft, 78.000 mit, 25.200 ohne Motor. 2016 lagen ihre Verkaufszahlen noch so niedrig, dass der Verband nur die verkauften E-Cargobikes zählte. Das waren 15.125. Seitdem wächst ihre Zahl stetig.
Im Jahr 2030 könnten 5,2 Millionen Cargobikes in Deutschland unterwegs sein. Das schätzt Claudia Hille, Geschäftsführerin am Institut Verkehr und Raum in Erfurt. Dort leitet sie das Projekt Abstellanlagen für Lastenfahrräder in Nachbarschaften. Mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sie eine Planungshilfe für Kommunen entwickelt, mit der unter anderem der Bedarf an Stellplätzen in verschiedenen Quartieren ermittelt werden kann. Dabei zeigt sich: Hinterhöfe und Kellerräume vieler Gründerzeitviertel oder Mehrfamilienhäuser sind für Lastenräder ungeeignet. Deren Flure sind für die korpulenten Fahrzeuge oft zu schmal. Oder die Räder sind zu schwer für die Treppen ins Haus oder ins Untergeschoss.

Auch ohne Lastenräder sind die Abstellplätze für Fahrräder in vielen Städten knapp. Foto: © Bike Citizens
Drei Lastenräder je Pkw-Parkplatz
Berlin hat auf den Trend zu Transporträdern reagiert und 2019 einen Regelplan zum Lastenradparken erstellt. Der legt fest, dass auf einem Kfz-Stellplatz in Längsrichtung je drei schräg gestellte Cargobikes abgestellt werden können. Zur besseren Sichtbarkeit sollen Baken die Begrenzung zur Fahrbahn markieren. Im Berliner Bezirk Neukölln sind seitdem vier Lastenradparkplätze entstanden.
„Als Kommunikationsmittel sind solche Maßnahmen wichtig“, sagt Mobilitätsforscherin Dagmar Köhler vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Entscheidend sei jedoch, dass Kommunen zukünftig beim Planen von Fahrradabstellanlagen Lastenräder einplanen. Das funktioniere oft ohne großen Mehraufwand. „Die ersten Städte unterbinden inzwischen das regelwidrige Autoparken im Kreuzungsbereich, indem sie dort Fahrradbügel aufstellen“, sagt die Mobilitätsexpertin.
Für Cargobikes könnte mit speziellen Bügeln hier ebenfalls Platz geschaffen werden. In Düsseldorf wird diese Idee bereits umgesetzt. Hamburg versucht für Lastenräder momentan schnell und unbürokratisch Stellplätze zu finden. Dort dürfen sie seit Dezember auf kostenpflichtigen Parkplätzen umsonst abgestellt werden. Das gilt auch für Bewohnerparkzonen in Wohngebieten. „Lastenräder sind in der Straßenverkehrsordnung nicht als Kraftfahrzeuge klassifiziert und können deshalb nicht mit Parkgebühren belegt werden“, sagt Dennis Heinert, Sprecher der Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Allerdings habe sich das Abstellen der Transporträder auf Parkplätzen in den vergangenen Wochen noch nicht sehr verbreitet.
Abschließbare Fahrradboxen
Neben Lösungen für Kurzzeitparker sind allerdings auch witterungsbeständige Angebote in dicht besiedelten Wohngebieten und Altstadtquartieren gefragt. Claudia Hille und ihr Team haben für die vier Kommunen München, Leipzig, Nordhausen und Hannover Designvorlagen entwickelt. Sie reichen von einfachen Fahrradständern mit integrierter Sitzbank bis hin zur abschließbaren Fahrradbox aus Holz. Die Entwürfe sollen Kommunen dabei helfen, passgenaue Lösungen für ihre Innenstädte zu finden. Das gilt ebenso fürs Gründerzeitviertel wie für Kleinstädte im ländlichen Raum. Geht es nach der Wissenschaftlerin, schaffen die Kommunen mit den Fahrradmöbeln vor Ort noch einen Mehrwert. „Gerade in kleineren Städten fehlen oft zentrale Plätze, an denen man kurz verweilen kann“, sagt Hille. Clever platziert, mit Bänken oder Hochbeeten kombiniert, könnten die Anlagen zu Treffpunkten werden.

Der Markt für Lastenräder verzeichnet Zuwachsraten von 60%. Foto: © Bike Citizens
Während die Garagenverordnung das Parken von Autos in Deutschland seit Jahrzehnten regelt, wurde das Fahrradparken lange vergessen. Das ändert sich nur langsam. Dabei haben die Bundesländer mit der Bauordnung ein wirksames Lenkungsinstrument zur Hand. Damit können sie die Zahl der Stellplätze pro Wohnung festlegen und die Standards der Anlage. „In Hessen gilt seit 2020, dass der Zugang zu Fahrradstellplätzen in und am Haus schwellenlos sein soll“, sagt Difu-Forscherin Köhler. Das mache das Parken von Lastenrädern dort erst möglich.
In Hamburg soll das Lastenrad laut Dennis Heinert künftig stets mitgedacht werden. Er verweist auf die neuen Stadtteile, die rund um die Hafencity gebaut werden. In Grasbrook, dem Quartier, das am Südufer der Elbe gegenüber der Elbphilharmonie entsteht, sollen im Warftgeschoss – einer Art Hochetage, die vor Hochwasser geschützt ist – große Fahrradräume entstehen, die über Rampen befahrbar sind. Dort seien auch Flächen für Lastenräder geplant, zusätzliche Fahrradbügel sowie Lastenradstellplätze in Ladezonen.
Es muss nicht jeder ein Lastenrad haben
Cargobikes sind ein Baustein der Verkehrswende. Insbesondere in Städten sind sie für viele Menschen ein Autoersatz. Aber obgleich sie deutlich weniger Platz verbrauchen als ein Pkw, mahnt die Verkehrsexpertin Köhler: „Es muss nicht jedes Auto durch ein Lastenrad ersetzt werden.“ Für den wöchentlichen Großeinkauf, den Ausflug oder die Fahrt zum Baumarkt könnten die Räder auch ausgeliehen werden.
Immer mehr Baumärkte, Discounter und inzwischen auch Städte bieten Cargobikes zur Miete an. Hamburg hat inzwischen 20 Lastenräder in seine „StadtRad“-Flotte aufgenommen. Sie stehen an den regulären Sharing-Stationen im öffentlichen Raum. In Berlin werden über die sogenannte fLotte des ADFC rund 200 Lastenräder kostenlos verliehen. Sofern das Cargobike nicht täglich im Einsatz ist, ist Teilen für Köhler besser als Besitzen: „Sharing spart Ressourcen und viel Platz im öffentlichen Raum.“
Andrea Reidl
http://busystreets.de